Zuffenhausen, Fa. Hirth

In Neuwirtshaus erzählte man sich noch lange nach dem Krieg, dass die Bomben, die in die Siedlung gefallen waren, eigentlich den unweit entfernt am Waldrand liegenden Hirth-Flugzeugmotorenwerken gegolten hätten. Auch wenn die Wahrheit komplexer ist, so waren die Industriegebiete Zuffenhausens und Feuerbachs 1944/45 Ziele alliierter Luftangriffe, und wer genau hinschaut, findet auch 75 Jahre nach Kriegsende noch immer Bombentrichter im Wald.

Der Stollen unter dem Schelmenwasen

Bereits 1942 hatte der Sicherheits- und Hilfsdienst zwei Löschteiche für die Hirth-Werke im Wald angelegt. Vermutlich 1944 wurde mit dem Bau eines Luftschutzstollens unter dem Schelmenwasen begonnen.

Der Stollen war aufgeteilt in einen Werkluftschutzteil und einen Pionierstollen-Teil, der „angeflanscht wurde, und wohl nur mit Holz ausgeschalt war. Die Planung wurde offenbar mehrfach geändert. Für den Werkluftschutzstollen wurden drei parallel von Westsüdwest nach Ostnordost verlaufende betonierte Röhren mit jeweils ca. 90 m Länge geschaffen. Sie wurden mit sechs rechtwinklig kreuzenden Röhren verbunden, die ca. 45 m lang waren.

Hirth-010

Stadtplan von 1939: Im Viertelkreis zwischen Siegelberg-Allee, Fasanenweg un dem oval verlaufenden Waldweg (nordwestlicher Bogen) wurde der Luftschutzstollen angelegt. Ein Zugangsstollen führte parallel zum Fasanenweg fast bis zur Straße Am Stadtpark.

Die Zugangsstollen waren ungewöhnlich lang. Der kürzere wies eine Länge von rund 75 m auf, der längere maß sogar rund 135 m. Hinter die Werkluftschutzstollen sollten zwei weitere parallele Röhren mit jeweils 90 m Länge geschaffen werden, wovon aber nur eine zum 1. Bauteil gehörte. Die zweite zusätzliche Röhre ist nicht mehr realisiert worden.

Die südlichste Röhre des Werkluftschutzstollens wurde um ca. 75 m nach Westsüdwest verlängert, um einen dritten Zugang zu schaffen. Ein vierter Zugang wurde von der nördlichsten Röhre des Werkluftschutzstollens und der Röhre des Pionierstollens etwa im 30-Gradwinkel weg nach Nordnordost geführt. Auch dieser Zugangsstollen misst ca. 75 m Länge. Der dritte und vierte Zugang führten zu dem halbkreisförmigen Waldweg, der um den Schelmenwasen herum führt. Die beiden anderen Zugangsstollen liefen in nordnordwestlicher Richtung zum Firmengelände. Das gesamte Gangsystem besaß eine Grundfläche von 2203 qm.

Der Stollen wurde großenteils mit Betonfertigteilen ausgeschalt, es gibt aber auch gemauerte Wände und Ziegelmauerwerk. Es ist davon auszugehen, dass der Stollen weitgehend mit Arbeitskräften aus dem Lager Schlotwiese erstellt wurde. In der Anlage wurden Beschriftungen angebracht, die die Arbeitskräfte nach Nationalitäten unterteilten. So gab es festgelegte Bereiche für Holländer, Franzosen und Belgier.

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Weitere Nutzer

Teile der Anlage wurden auch von den Firmen SÜMAK und Zaiser belegt, die ebenfalls ihren Sitz in der Schwieberdinger Straße hatten. Die Belegschaften dieser Werke hatten bei Fliegeralarm zum Stollen einen Weg von ungefähr 500 m Läng zurückzulegen.

SÜMAK

Die SÜMAK war 1917 von Wilhelm Weckerle als „Süddeutsche Maschinen- und Metallwarenfabrik“ gegründet worden. In den 1930er Jahren stellte das Unternehmen gewerbliche Kältemaschinen, Haushaltskühlschränke und Aggregate zur Milchkühlung her. Laut einer Werbung von 1941 umfasste die Produktpalette auch Anlagen für die Speiseeiserzeugung, Tiefgefrier-Anlagen, Förderband-Kühlanlagen, Öl-Kühlanlagen, Gleichstrom-Kompressoren, automatische Regel-, Kontroll- und Entlüftungsapparate und Schiffs-Kälte-Maschinen. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in der Schwieberdinger Straße 76. Nach dem Krieg war das Unternehmen vor allem mit Kühlsystemen und Kühlregalen für den Handel erfolgreich. 1971 wurde die Produktion nach Höfingen verlagert. 1984 wurde die SÜMAK von der Electrolux-Gruppe übernommen. Mit Einstellung der Produktion in Höfingen 1995 verschwand der Name SÜMAK vom Markt.

A. Zaiser

Die Adolf Zaiser Maschinenfabrik G.m.b.H. Stuttgart hatte ihren Sitz in der Schwieberdinger Straße 58. Sie war ein Pionier im deutschen Aufzugbau, stellte aber auch Laufkatzen und Rolltore her. Der Hochbunker in der Badstraße in Cannstattwurde mit einem Zaiser-Aufzug ausgerüstet. Nachdem der jüdische Kunstwollfabrikant Moritz Horkheimer vom NS-Regime dazu gebracht worden war, seine Kunstwollspinnerei in der Schwieberdinger Straße 60 aufzugeben, nutzte die Firma Zaiser auch das Nachbaranwesen. A. Zaiser fusionierte 1965 mit R. STAHL. In der Folge wurden die Produktionsstandorte konsolidiert.

Das verschwundene Bild der Schwieberdinger Straße

Das Verwaltungsgebäude der Hirth-Motorenwerke stand in der Schwieberdinger Straße 95. Im Zuge der Expansion während der 1930er und 40er Jahre wurde auch das Nachbargebäude (Nr. 97) genutzt, in dem sich zuvor die Verwaltung der von Hellmuth Hirths Vater Albert gegründeten Hirth AG befunden hatte. Das Gebäude Nr. 97 wurde 2019 abgerissen um einem Büro-Neubau Platz zu machen, für den die Fritz OHG als Bauherr fungierte. Auch vom einstigen Sümak-/Zaiser-Areal steht heute nichts mehr. Das Gelände ist weitgehend neu überbaut und umgenutzt, u.a. durch Einzelhandel und Büros. Lediglich das denkmalgeschützte Verwaltungsgebäude der Horkheimer Kunstwollspinnerei existiert noch und vermittelt einen Eindruck von der Architektur, die diesen Teil Zuffenhausens einst prägte.