- Luftbild von Bietigheim nach dem Krieg. Noch stehen die Häuser der Gaishalde.
- Nachdem Sauerstoffmangel immer wieder zu Ohnmachtsanfällen führte wurde eine Lüftung eingebaut. Dieses „Ofenrohr“ sollte die Insassen mit Frischluft versorgen.
- 249 Sitz- und genauso viele Stehplätze sollte der Stollen bereitstellen.
- Anders als im Westteil sind im Ostteil die Wände schon sehr gerade, der Querschnitt ein sauberes Rechteck.
- Übergang zum höher gelegenen Südteil der Stollenanlage.
- Gemauerte Zwischenwand, in die eine Tür eingebaut werden sollte.
- Die kargen Wände lassen immer wieder sehr schön die unterschiedlichen Schichten des Muschelkalkfelsens erkennen.
- Roher Fels prägt das Erscheinungsbild des Stollens auch heute noch.
- Der Eingangsbereich zum Gaishalden-Stollen heute ist der ehemalige Westeingang, der bis Kriegsende zwischen den Häusern der Altstadt lag.
Die Stadt Bietigheim-Bissingen entstand im Rahmen der Gebietsreform zum 1. Januar 1975 aus der Zusammenlegung der Städte Bietigheim und Bissingen. Für die Recherche historischer Sachverhalte muss also immer die Geschichte beider Städte berücksichtigt werden.
Die Situation bei Kriegsbeginn
Die beiden 19 km nördlich von Stuttgart liegenden Gemeinden am der Enz haben eine durchaus unterschiedliche Kriegsgeschichte erlebt wie die Landeshauptstadt. Nachdem in Stuttgart bereits 1940 ein erster Angriff auf Werksanlagen erfolgte, gehörten Bietigheim und Bissingen zu den Verlagerungsstandorten der Stuttgarter Industrie. So verlegten z.B. Rüstungsbetriebe wie Daimler-Benz und Bosch Teile ihre Produktion von Stuttgart nach Bietigheim in die Hallen der DLW und der Kammgarnspinnerei. Die Firma SWF siedelte 1942 komplett von Stuttgart Feuerbach nach Bietigheim über, und bezog ein Gebäude am Bahnhof. Das Unternehmen ging später in der heutigen Valeo auf.
In den Gemeinden selbst verließ man sich zunächst auf die bereits in den 30er Jahren für den Luftschutz ausgebauten Keller, die durch die Topologie bedingt in der Regel in den Fels gebaut waren. Allerdings mussten mit zunehmender Dauer des Krieges immer mehr ausgebombte Familien aus dem Ruhrgebiet, dem Rheinland und auch aus Stuttgart aufgenommen werden.
Beginn des Stollenbaus
Zusätzlich zu den ausgebauten Kellern und öffentlichen Luftschutzräumen (die ebenfalls in bestehenden Kellerräumen eingerichtet wurden) liess Bietigheims Bürgermeister Gotthilf Holzwarth auch die demilitarisierten Bunker der Necker-Enz-Stellung im Stadtgebiet als zivile Schutzräume öffnen, obwohl diese nur eine geringe Zahl von Personen aufnehmen konnten. Im Bereich des Fassungsvermögens der kleinsten Winkelturmvariante dürften sie sich zusammengenommen aber bewegt haben.
Ab 1942 nahm die Zahl der Feindüberflüge beständig zu. Einzelne strategische Ziele wie Enzviadukt und Bahnhof wurden mehrfach von alliierten Fliegern angegriffen. Die beiden Städte, die laut der Volkszählung von 1939 zusammen etwas über 12.000 Einwohner hatten, waren für Flächenbombardements aber zunächst zu klein.
So hatte die Bietigheimer Feuerwehr die meisten Kriegseinsätze bis 1944 außerhalb der Stadt: In Ludwigsburg, und sogar in Stuttgart, wo sie z.B. 1944 in Feuerbach bei der Lederfabrik Roser einen kompletten Tag mit Löscharbeiten zubrachte.
Allerdings war man sich der steigenden Gefahr durchaus bewusst. Im April 1944 wurde in Bietigheim auf Initiative des Bürgermeisters Gotthilf Holzwarth sowie der Firmen Daimler-Benz, Bessey und DLW mit dem Bau von Luftschutzstollen begonnen. Im benachbarten Bissingen wurde Bürgermeister Silcher aktiv, zusammen mit der Maschinenfabrik Grotz und diversen Privatpersonen. Grotz war seinerseits ebenfalls in der Rüstungsproduktion tätig.
Mit der Aufnahme Bietigheims und Bissingens in das erweiterte Luftschutz-Führer-Programm im Mai 1944 standen nun auch Reichsmittel für den Stollenbau zur Verfügung.
Für die Anwohner der Gaishalde, die damals bis an die Felswände bebaut war, wurde ab April 1944 ein Luftschutzstollen in den Fels getrieben. Das Einzugsgebiet des Stollens war die Altstadt bis zum Bahndurchlass beim Café Central.
Die Hauptarbeit hatten 12 Zwangsarbeiter aus dem zentralen Durchgangslager Bietigheim zu leisten, die mit Presslufthämmern ohne Arbeitsschutz das Stollensystem vorantrieben. Unterstützt wurden sie vom Sprengmeister eines örtlichen Tiefbauunternehmens, der die Sprengungen im Fels durchführte. Die städtische Baustelle wurde von zwei Eingängen gleichzeitig in den Muschelkalk getrieben, einmal vom Süden und einmal vom Westen. Der Südeingang ist heute vermauert. Der Abtransport des Abraums wurde von der Partei organisiert. Im Schutz der Dunkelheit luden sie den Aushub auf LKW des Flughafens Großsachsenheim. Die Arbeit am Stollen war schwierig und stockte immer wieder. Zerklüftungen im Fels, Materialmangel, Schwierigkeiten mit dem Bohrgerät und die harten Arbeitsbedingungen machten den Zwangsarbeitern zu schaffen. Immer wieder waren Krankheitsfälle zu verzeichnen.
Einsatz für die Zivilbevölkerung
Mitte November 1944 war schließlich eine Seite des Stollens zur Nutzung bereit. Es standen 243 nummerierte Sitz- und 249 Stehplätze zur Verfügung. Der Stollen wurde auf Anhieb sehr stark genutzt, und häufig überbelegt. Da noch keine Lüftungsanlage zur Verfügung stand, kam es unter den Insassen regelmäßig zu Ohnmachtsanfällen durch Sauerstoffmangel. Die drangvolle Enge, teils in schummrigem Licht, teils fast völlig im Dunkeln, machte den Aufenthalt im Stollen zu einem traumatischen Erlebnis. Das dröhnen der Detonationen außerhalb des Stollens war laut und deutlich zu hören, der Fels bebte unter der Einwirkung der Bomben. Um die schlimmsten Probleme zu lindern wurde eine notdürftige Lüftung eingebaut und eine Trage bereitgestellt, um die Ohnmächtigen besser nach außen transportieren zu können.
Dennoch waren für die Bewohner der Altstadt die beängstigenden Verhältnisse im Stollen das geringere Übel. Seit dem verheerenden Luftangriff auf das nur 20 km entfernte Heilbronn am 04. Dezember 1944 mit 6.500 Toten machte sich auch in Bietigheim und Bissingen bei jedem Fliegeralarm Panik breit.
Alltag im Fels und Kriegsende
Durch die intensive Nutzung und die permanenten Probleme beim Bau wurde der Stollen letztlich nicht mehr vollkommen fertiggestellt. Noch heute sind in den Wänden zahlreiche Bohrlöcher zu erkennen, die von anhaltenden Arbeiten zeugen. Auch wurden einige Bereiche nicht mehr in voller Höhe ausgearbeitet.
Von etwa Februar bis Mitte April 1945 war der Stollen nicht nur bei Fliegeralarm belegt, sondern wurde dauerhaft „bewohnt“. Etliche ausgebombte Anwohner hatten keine andere Möglichkeit, als sich notdürftig im Fels an der Gaishalde einzuquartieren. In der Regel hatten sie fast alles Hab und Gut verloren. Die Zustände im Stollen waren katastrophal. Sie verschlechterten sich noch einmal, als im April 1945 die Enz zehn Tage lang die Frontlinie bildete. Versprengte Deutsche Einheiten leisteten erbitterten Widerstand aus Teilen der Neckar-Enz-Stellung und rasch errichteten Verteidigungsnestern heraus. Die Zivilbevölkerung geriet in den Kellern und Stollen zwischen die Fronten. Erst am 20. April 1945 waren die Kampfhandlungen in Bietigheim und Bissingen beendet. Die Stadt wurde zunächst von französischen Truppen besetzt, später an die Amerikaner übergeben.
Nachkriegsnutzung und Neuzeit
Nach dem Krieg nutzten die Flaschnerei Blöchle (heutiger Eingang) und der Steinmetzbetrieb Wilhelm Hahn (zugemauerter Eingang) den Gaishalde-Stollen. Er diente überwiegend als Lagerraum, teils als Werkstatt. Noch heute sind einige Spuren dieser Nachkriegsnutzung erkennbar. Seit einigen Jahren hat der Geschichtsverein der Stadt Bietigheim-Bissingen die Schirmherrschaft über den Stollen und machte ihn immer wieder der Öffentlichkeit zugänglich. 2009 vereinbarte der Geschichtsverein mit der Forschungsgruppe Untertage e.V. ein Ausstellungskonzept, das die Dokumentation des Stollens und den Zugang für die Öffentlichkeit auch weiterhin sicherstellen wird.
In Kooperation mit dem Arbeitskreis Bunkerforschung ist der Stollen parallel zum Museumsbunker in der Brandhalde jeweils am ersten Sonntag im April, Juli und September für die Öffentlichkeit zugänglich. Hier geht’s zur Terminübersicht.
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