Im Laiern

An den Stollen im Laiern erinnert heute nichts mehr. Der Zugang lag im Hang hinter dem Stellwerk. Er wurde nach dem Krieg verfüllt.

An den Stollen im Laiern erinnert heute nichts mehr. Der Zugang lag im Hang hinter dem Stellwerk. Er wurde nach dem Krieg verfüllt. Zeugen zufolge gab es einen zweiten Zugang, der aber nicht mehr bestimmbar ist.

Für die Bevölkerung südlich des Bahnhofs, aber auch für die Belegschaften der Schuhfabrik Fritz, der Firmen Klumpp und Arretz und Reichsbahnangehörige  wurde am Bahnhof ein Stollen errichtet, der von den Gleisanlagen aus ebenerdig in den Hang getrieben wurde.

Zu diesem Stollen fehlen leider einige grundlegende Angaben. Es ist kein Stollenplan erhalten. Der genaue Verlauf, die Größe und damit auch das Fassungsvermögen des Stollens sind unbekannt. Die Lage hingegen ist unstrittig und noch immer klar eingrenzbar.

Der heutige Nutzer der ehemaligen Schuhfabrik Fritz, die Firma Valeo, hatte Neubauvorhaben auf dem Areal des Parkplatzes oberhalb des Bahnhofs geprüft. Die Sondierungen ergaben, dass man dabei auf den ehemaligen Luftschutzstollen „im Laiern“  stoßen würde, der im Bereich unter dem Parkplatz liegt.

Baubeginn

Die Arbeiten am Stollen begannen wahrscheinlich im April 1944. Die Leitung hatte die Reichsbahn. Die Arbeitskräfte stammten aus dem benachbarten Zentralen Durchgangslager. Nach diversen Zeitzeugenaussagen waren es Russen und Polen. Diese Einordnungen sind möglicherweise als Oberbegriff zu sehen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Bautrupp weitere Nationalitäten angehörten.

Den vorliegenden Aussagen von Zeitzeugen zufolge gab es zwei Zugänge vom Bahngelände aus. Die Schutzsuchenden nahmen also den Weg über den heute das Bahnhofs-Parkhaus angefahren wird, orientierten sich dann aber nach links um in den Stollen zu gelangen. Die weitere Struktur der Anlage ist nicht eindeutig überliefert. Die beiden Längsstiche waren wahrscheinlich mit zwei Querstichen verbunden. Wie praktisch alle Stollen in Bietigheim wurde auch dieser Stollen in ein Muschelkalkmassiv getrieben, indem man mit dem Presslufthammer Sprenglöcher schuf, in die Dynamikpatronen eingesetzt wurden, um das Gestein zu sprengen.

Alltag im Stollen

Ab Dezember 1944 stand der Stollen der Bevölkerung und den Werksbelegschaften zur Verfügung und wurde intensiv genutzt. Wegen der einsetzenden Luftangriffe durch alliierte Jagdbomber wurde auch der Unterricht von der Hillerschule in diesen Stollen verlegt.  Die Klassenstufen wurden aufgehoben, um einen Notunterricht für alle Schüler zu ermöglichen.

Für die Monate Dezember 1944 bis März 1945 lässt sich so eine gewisser geregelter Ablauf rekonstruieren. Allerdings begannen auch bombengeschädigte Bietigheimer im Stollen zu wohnen. Sie wurden vom Bahnhof aus versorgt, wo die Frau des Bahnhofvorstehers Schmid für sie kochte.

Wieviele Familien im Laiern-Stollen auf diese Weise campierten ist nicht bekannt. Es waren offenbar mehrere. Details vom Leben in den Stollen sind aus den Stollen an der Gaishalde und Wobachstraße bekannt. Die betroffenen campierten in der Regel in einer Ecke der Anlagen mit dem allernotwendigsten Habe. In der Gaishalde gab es nicht einmal Matrazen, auf die man sich hätte legen können. Ob diese im Laiern zur Verfügung standen konnte bislang nicht geklärt werden.

Frontstadt Bietigheim

Ab Anfang April änderte sich das Leben für die Bietigheimer generell und für die Nutzer und Bewohner des Laiern-Stollen insbesondere auf dramatische Weise. Mit der Ankunft französischer Truppen in der Weststadt am 09. April 1945 wurde die Enz zur Front. Die Stolleneingänge waren dem jetzt französisch besetzten Teil der Stadt zugewandt und von dort einsehbar.

Schon im November 1944 waren am Bahnhof die ersten Bomben gefallen. Im Februar wurde der Bahnhof von Bomben getroffen, wobei mehrere Soldaten einer 8,8 cm Flak ums Leben kamen.

Nun hatten sich deutsche Truppen im Gebäude der Schuhfabrik Fritz einquartiert. Im Hof des Werkes war Artillerie in Stellung gebracht worden. Der Laiern-Stollen lag damit in der rückwärtigen deutschen Kampflinie.

Immer wieder schlugen hier französische Granaten ein, auch vor den Stolleneingängen. Die Bunkerinsassen mussten lernen sich möglichst unauffällig zu bewegen, wenn sie hinein oder heraus wollten.

Die deutsche Artillerie war auf einer Linie von Asperg über das Gewerbegebiet im Laiern, das Brandholz bis Pleidelsheim aufgestellt. Auch im Bietigheimer Forst und am Husarenhof waren Granatwerfer und Kanonen postiert. Allerdings waren dies meist einzelne Geschütze und keine schlagkräftigen Batterien mehr.

Laut Kriegschronik schossen sie täglich rund 100 Granaten in den französisch besetzten Teil der Stadt und richteten dort mehr Schaden an, als zuvor durch Luftangriffe entstanden war. Dies galt freilich auch für die französische Antwort. Zeitzeugen berichten immer wieder vor allem von gezieltem Granatwerferbeschuss auf alles was sich in der Oststadt bewegte.

Kriegsende

Erst als die deutschen Truppen am 19. April abzogen und am darauffolgenden Tag die Franzosen über die Enz übersetzten war der Krieg in Bietigheim vorbei.

Wie lange der Laiern-Stollen noch genutzt wurde ist ebenfalls nicht eindeutig überliefert. Zumindest wurde er nicht unmittelbar nach Kriegsende verschlossen. Eine Zeitlang soll er der Bahn noch als Tanklager gedient haben. Ein Zeitzeuge berichtete, man habe einen leeren Tank vor dem Verfüllen des Eingangs in den Stollen geschoben. Nachprüfbar ist das jedoch nicht. Die Zugänge wurden verschlossen und sind heute nicht mehr erkennbar.