Schwabtunnel

Gemessen am historischen Stellenwert, den der Schwabtunnel in der Geschichte europäischer Verkehrsbauwerke einnimmt, ist er in der Literatur über Stuttgart und der Selbstdarstellung der Stadt deutlich unterrepräsentiert. Die Einwohner haben ein profanes Verhältnis zu dem Bauwerk, viele nehmen es kaum wahr. Es ist eben ein Durchbruch durch einen Höhenkamm. Dabei ist der Tunnel mehr als nur eine verkehrstechnische Notwendigkeit.

1894 wurde unter Stadtbaurat Carl Kölle mit den Bauarbeiten begonnen. Bei seiner Eröffnung am 29. Juni 1896 war der Schwabtunnel der zweite innerstädtische Tunnel Europas, nach dem Salzburger Sigmundstor.

Bereits von Beginn an war das Bauwerk dafür ausgelegt auch eine Straßenbahnlinie aufzunehmen. Dafür wurde die Breite auf 10,5 Meter ausgelegt. Zur damaligen Zeit war das der breiteste Tunnel Europas. Als am 04. Dezember 1902 erstmals die Straßenbahn hindurch fuhr, wurde er auch einer der ersten Straßenbahntunnel. Schließlich ist er der erste Tunnel, durch den jemals ein Automobil gefahren ist.

Konzeption  

Im ursprünglichen Ausbau führte ein Straßenbahngleis mittig durch den Tunnel. Es gehörte zur Ringlinie, die damals bereits elektrifiziert war. Im Sommer 1910 wurde sie in Linie 6 umbenannt. So verkehrte sie bis in den zweiten Weltkrieg hinein. Nach dem Krieg wurde die Straßenbahnlinie zweispurig angelegt. Fortan durchquerte die Straßenbahn das Bauwerk in beide Richtungen.

Heute bietet der Tunnel zwei Fahrstreifen für Autos (einen je Richtung), sowie rechts und links des Straßenbereichs je einen Gehweg, der baulich von der Fahrbahn abgetrennt ist. Die Straßenbahngleise wurden zwischenzeitlich entfernt.

Der Tunnel ist 125 Meter lang und 6,5-8,5 Meter hoch. Er weist eine Überdeckung von 6 bis 20 Metern auf. Bemerkenswert sind die imposanten barocken Sandstein-Portale, die dem Bauwerk das Aussehen eines Eisenbahntunnels verleihen und die für die enge Bebauung, in der er sich heute befindet überdimensioniert wirken. Die Carl Kölle zugeschriebenen Portale werden beidseitig von Treppenaufgängen flankiert, die zu den weiter oben gelegenen Teilen Heslachs führen: Zur Karlshöhe und zur Hasenbergsteige.

Großluftschutzraum 

Gegen Ende 1943 wurde die Durchfahrt durch den Schwabtunnel eingestellt. Die beiden Tunnelportale wurden vermauert und der Tunnel zum „Großluftschutzraum“ umgebaut. Die Portale wurden jeweils mit einer doppelten Mauer verschlossen, deren Durchgänge gegeneinander versetzt waren. Die so entstandenen Schleusenbereiche, brachen die Druckwellen von explodierenden Bomben so dass sie nicht ins Tunnelinnere durchschlagen konnten und fingen umherfliegende Splitter ab.

Im Inneren wurde eine tribünenartige Zwischendecke aus Holz eingezogen, so dass der Luftschutzraum auf zwei Etagen genutzt werden konnte. Die obere Etage war über Holztreppen zugänglich. Das Fassungsvermögen des Bunkers lag bei 1.500 Personen. Im oberen Stockwerk waren entlang der Tunnelwandung Sitzplätze montiert. Der Tunnel wurde mit Toiletten ausgestattet und im Erdgeschoss eine Luftschutzrettungsstelle eingerichtet. Ab Januar 1944 stand der „Großluftschutzraum“ für die Bevölkerung von Stuttgart West und Heslach zur Verfügung.

Nach dem Krieg 

Die Verbindung durch den Schwabtunnel blieb auch nach dem Krieg zunächst noch unterbrochen. Der Rückbau der Vermauerung und der Einbauten zog sich bis zum 6. Juni 1946 hin. Der Wideraufbau brachte auch eine Reorganisation des Liniennetzes der Straßenbahn mit sich. So verkehrte nun die Linie 20 durch den Schwabtunnel. Zuletzt hielt die Linie 8 die Verbindung zwischen dem Westen und Heslach aufrecht. 1972 wurde sie durch die Buslinie 42 ersetzt, die seither durch den Tunnel verkehrt. An die Straßenbahn erinnern noch heute Aufhängungshaken für die Oberleitung an den Tunnelwänden. Die 15 Monate dauernde Nutzung als Luftschutzraum ist weitgehend in Vergessenheit geraten.