1940 wurde 22 km nordöstl. Heilbronns bei Stein am Kocher, zwischen Kocher und Jagst eine Scheinanlage der Luftwaffe errichtet. Die Nachtscheinanlage mit dem Decknamen „Peru“ bestand im Wesentlichen aus Lichtinstallationen und vorbereiteten Brandstellen. Beim Herannahen von feindlichen Flugzeugen wurden die Lichter eingeschaltet und wenn die Flugzeuge näher kamen, wurde die Beleuchtung langsam heruntergedimmt, so dass das Licht aus der Luft zwar noch erkennbar war, weitere Einzelheiten jedoch buchstäblich im Dunkeln blieben.
Waren die Bomber über der Scheinanlage wurden die vorbereiteten Brandstellen entzündet, um durch Bombenwürfe verursachte, entstehende Brände zu simulieren. Das Kalkül war, dass die Bomberpiloten der Täuschung erlagen und in der Annahme, ihre Kameraden hätten ein Ziel identifiziert, ihre Bomben auf die Scheinanlage werfen würden.
Heinz Bardua erwähnt in seinem Beitrag „Kriegsschäden in Baden-Württemberg 1939-1945“ in den Erläuterungen zum Historischen Atlas von Baden-Württemberg auch einen Scheinflughafen auf den Jagstwiesen bei Möckmühl. Die sehr geringe Distanz der beiden Scheinanlagen zueinander war eher ungewöhnlich. Die bisherige Analyse deutet darauf hin, dass die Anlage „Peru“ Angriffe auf Neckarsulm und Heilbronn auf sich ziehen sollte. Der Scheinflughafen bei Möckmühl sollte vom naheliegenden Flughafen Oedheim ablenken. Dort waren zu Kriegsbeginn Jagdflugzeuge stationiert worden. Im Rahmen des Westfeldzugs starteten dort Bomber gegen Ziele in Frankreich, darunter auch zu Einsätzen gegen die britische Evakuierung Dünkirchens. Die Lage Neckarsulms zu Oedheim und die von Stein am Kocher zu Möckmühl ist recht ähnlich, auch die Entfernungen der zu imitierenden Orte war den Entfernungen der beiden Scheinanlagen zueinander vergleichbar. In Möckmühl war außerdem bereits 1921 eine Flugwache eingerichtet worden. Es ist davon auszugehen, dass diese zum Kriegsbeginn personell aufgestockt wurde, um auch den Scheinflugplatz mit betreiben zu können.
In der Nacht vom 06. auf den 07. August 1941 schickte die Royal Air Force 53 Bomber nach Frankfurt und je 38 Maschinen sollten Mannheim und Karlsruhe angreifen. Dabei fielen auch mehrere Spreng- und Brandbomben auf Heilbronn.
Dies wiederholte sich in der Nacht vom 25./26.August 1941, als 49 britische Bomber Mannheim und 45 Karlsruhe angriffen. Beim Angriff auf Frankfurt in der Nacht auf den 29.September 1941 fielen Bomben auf Kirchhausen in Landkreis Heilbronn.
In der Nacht vom 06. auf den 07. Mai 1942 erlebte Heilbronn den ersten schweren Luftangriff, als die Stadt irrtümlich von einem Verband mit Ziel Stuttgart angegriffen wurde. Nach Angaben der Deutschen Luftwaffe gingen auf Heilbronn ungefähr 2000 Brandbomben, 6 Sprengbomben, 10 – 20 Phosphorkautschukkanister und 20 -30 Phosphorbrandbomben nieder.
Es lässt sich nicht sagen, ob bei den beiden erstgenannten Angriffen die Anlage bei Stein am Kocher einen Beitrag zur Verwirrung der britischen Flieger leistete. Direkt bombardiert wurde die Anlage offenbar nie. Sowohl Neckarsulm als auch Bad Friedrichshall, die beide näher an „Peru“ lagen als Heilbronn hatten bis 1943 praktisch keine Luftangriffe zu erleiden. Anders als die Scheinanlage bei Lauffen am Neckar war „Peru“ auch nicht mit Schwerer Flak kombiniert, so dass die Anlage möglicherweise weitgehend wirkungslos blieb.
Die Scheinanlagen bei Lauffen, Stein am Kocher und andere Scheinanlagen in der Region könnten in Verbindung mit widrigen Wetterverhältnissen jedoch dazu geführt haben, dass der Verband am 06./07. Mai 1942 seine für Stuttgart bestimmte Bombenlast über Heilbronn abwarf. Zumindest lieferte die RAF die Scheinanlage bei Lauffen und das Wetter als Erklärung.
Von der Anlage in Lauffen hatte man zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis. Die Anlage bei Stein am Kocher wurde von der britischen Luftwaffe hingegen nicht als Scheinanlage identifiziert. Auch mehrere andere Scheinanlagen in der Region wurden von den britischen Aufklärern nicht erkannt, so dass die Ablenkung der Bomber vollständig dieser einen bekannten Anlage zugeschrieben wurde, obwohl inzwischen vieles dafür spricht, dass die relativ hohe Anzahl von Scheinanlagen insgesamt für zahlreiche Fehlwürfe verantwortlich war.
Die Wirksamkeit dieser Scheinanlagen, die Luftangriffe möglichst abseits der großen Städte ins Leere laufen lassen sollten, nahm im Laufe des Jahres 1942 drastisch ab, als sich die Navigationstechnik der Briten verbesserte. So wurden die Anlagen im Sommer 1943 abgebaut.
An ihre Stelle traten neue Anlagen, die näher an den Städten lagen, wie etwa in Stuttgart-Weilimdorf. Diese Anlagen ahmten mit speziell entwickelten Signalraketen die Zielmarkierungen der alliierten Pfadfinder-Flugzeuge nach. Auch sie verfügten über vorbereitete Feuerstellen um ausbrechende Brände zu simulieren.
Als Neckarsulm am 01. März 1945 von amerikanischen Bombern angegriffen und zerstört wurde, stand dort nur leichte Flak zur Verfügung, die gegen die hoch fliegenden B-17 G Bomber nichts ausrichten konnte.
Für Stein am Kocher kamen die schlimmsten Tage im April 1945. Der Ort war Teil der deutschen Neckar-Jagst-Front. In Stein hatte sich eine SS-Einheit verschanzt, die sich am 04. April den heranrückenden Amerikanern entgegen stellte. In den folgenden Tagen belegten die Amerikaner das Dorf mit Artilleriefeuer und griffen es mit Jabos an, ohne die SS vertreiben zu können. Erst am 12. April setzte sich die SS aus Stein ab. Den 9-tägigen Kämpfen fallen 38 Einwohner zum Opfer und mindestens 12 deutsche Soldaten. Die Zahl der amerikanischen Verluste ist nicht bekannt. 75 Prozent des Ortes wurden zerstört.