Art-Attacke im Föhrichbunker

 

Beim Besuch im Föhrichbunker kommen recht schnell Abgrenzungen. Das liegt nicht nur daran, dass Art-Attacke sich stilistisch nicht einordnen lassen wollen, ohne das jedoch zum Dogma zu erheben. Das liegt an so ziemlich allem. „Wir sind ja eigentlich keine richtige Bunkerband, wir sind nur zur Untermiete hier“, erklären sie schon zu Beginn des Gesprächs.

Nun haben wir keine Definition für eine typische „Bunkerband“. Letztlich geht es darum, ein Bild zu vermitteln, welche Musik in den Bunkern der Stadt entsteht. Und das gilt auch, wenn die Band dort nur zur Untermiete ist. Freilich ist auch das mit der Band nicht ganz in Stein gemeißelt, denn Art-Attacke ist auch in gewisser Weise ein Projekt, das sich im Laufe der Zeit in Richtung Band verfestigt hat. Sänger Wolfgang Neumann ist auch als Bildender Künstler sehr aktiv und sieht Bildende Kunst, Wort und Musik für sich als gleichberechtigte Ausdrucksformen an. Er schreibt die Texte, singt und spielt Bass. Nick Zenon unterrichtet Gitarre und bedient diese auch bei Art-Attacke, er singt und komponiert. Detlef Eilers bedient das Schlagzeug. In dieser Zusammensetzung spielen sie seit mehreren Jahren. Seit 2012 unter dem Namen Art-Attacke. Das Vorprojekt „die Drahtzieher“ war eine Coverband. Art-Attacke spielen eigene Stücke.

Wer aufgrund des Namens der Formation raue und eher heftige Töne erwartet, wird überrascht. Zwar umfasst das Repertoire auch rockige Klänge, aber die mit Wechseln und Brüchen gespickten Kompositionen sind mitunter eher Mid-Tempo, teils balladesk, driften in jazzige Ecken genauso ab wie ins Bluesige, nehmen NDW-Schlenker mit und flirten mit Pop-Stereotypen. Eigentlich sei es ja doch in gewisser Weise Popmusik, bekunden sie, auch wenn nicht alle drei Protagonisten sich da so einig sind. Das mag auch daran liegen, dass Wolfgang Neumann großen Wert darauf legt, dass auch seine Texte verstanden werden. Sie stehen als Botschaft vollwertig neben der Musik, sind kritisch, politisch, reflektieren die Gesellschaft und sind folglich auch auf Deutsch.

Assoziationen zur belgischen Progressive Rockband COS aus den 1970er/80er Jahren stehen im Raum, auch wenn alle drei Mitglieder von Art-Attacke sich verwundert die Augen reiben: Wer? Nie gehört. – Der spielerische Umgang mit Stilen und der selbstverständliche Wechsel zwischen ihnen, zwischen Tempi und Rhythmen sind durchaus vergleichbar. Sie wollen sich das mal anhören.

Und da ist eine weitere Assoziation: The Fugs. Auch die hatten sich einer Festlegung auf Musikstile entzogen, Musik und Text wurden als gleichwertige Komponenten gesehen, die Texte stets als Botschaft. Teilweise wurden sie als musizierende Literaten bezeichnet. Es würde Art-Attacke nicht gerecht, dies zu tun. Aber gewisse Parallelen sind da.
Trotz dieser Assoziationen klingt die Musik von Art-Attacke nicht retro, nicht antiquiert.

Diese Assoziationen beziehen sich in erster Linie auf Habitus, auf die Herangehensweise und die Art zu arbeiten. Sie sprechen gerne von Stücken, die sie entwickeln. Mal ist da eine Idee, mal ein Text, es wird vieles einfach mal den anderen vorgestellt, und dann geschaut, was diese Idee bei ihnen auslöst. Das ist recht weit weg von klassischem Songwriting.

Wenn man auf die Live-Auftritte zu sprechen kommt, ist auch die Abgrenzung wieder da. Reguläre Konzerte geben Art-Attacke eher selten. Wesentlich häufiger spielen sie bei Vernissagen und anderen kulturellen Anlässen. Das habe man nicht so geplant, es habe sich aber ergeben und es funktioniere auch besser als reine Konzerte, sagt Wolfgang Neumann. In diesem Umfeld hörten die Menschen seinen Texten auch bewusster zu.

Damit wäre auch der Name der Formation klarer. Man bewegt sich viel in einem Kunst-Umfeld, aus technisch ausgefeilten und komplexen Kompositionen, die zunächst wenig offensiv wirken, führt Wolfgang Neumann seine Attacke mit Texten voller Ironie und Zynismus. Das ist freilich kein Selbstzweck. Das Repertoire enthält auch gefühlvolle und ernsthafte Stücke. Text und Musik schaffen stets eine Einheit, die die Botschaft transportiert.

Bis zum Ortstermin hatten sich die Musiker wenig Gedanken über den Bunker gemacht, in dem sie zur Untermiete sind. Bestimmte Dinge waren ihnen aufgefallen. Beschriftungen an den Wänden, enge Flure und Räume, die eine gewisse Beklemmung erzeugen. Anders als „richtige“ Bunkerbands haben sie sich nicht häuslich eingerichtet, denn das Bunkerdasein soll mit der Inbetriebnahme eines eigenen Übungsraums wieder vorüber sein. Die Möglichkeit im Untergrund vollkommen ungestört zu proben haben sie allerdings durchaus schätzen gelernt.

Art-Attacke haben bislang zwei CDs veröffentlicht.