Luftangriff auf Kornwestheim, 16.12.1944

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Luftbild von Bombentreffern auf dem Verschiebebahnhof Kornwestheim vom 16.12.1944. Fälschlicherweise wurde das Bild Stuttgart zugeordnet. Das Foto ist im Archiv um 180 Grad gedreht abgelegt. Quelle: NARA / digitalhistoryarchive

In einer Ankündigung zu einem Vortrag anlässlich des 70. Jahrestags des Luftangriffs vom 28. Januar 1945, der am 11. Februar 2015 stattfand, finden sich zwei bemerkenswerte Sätze: „Für viele Kornwestheimerinnen und Kornwestheimer waren dieser und die vorangegangenen Luftangriffe ein Wendepunkt.“ Und: „Die Luftangriffe beendeten die Erfolgsgeschichte, die Kornwestheim parallel und mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus hatte“.

Diese Erfolgsgeschichte begann freilich mit dem Bau der Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen, die dem Ort 1846 einen eigenen Personenbahnhof bescherte, sowie ab 1896 der Güterumgehungsbahn und daran anschließend dem 1913–1919 errichteten Rangierbahnhof.

Die umfangreiche Bahninfrastruktur sorgte für Bevölkerungswachstum und beförderte die Industrialisierung, die vor allem mit der Schuhfabrik J. Sigle & Cie., der Maschinenfabrik A. Stotz und der Firma Kreidler verbunden war. Insbesondere die von J. Sigle & Cie. 1905 etablierte Marke Salamander ist bis heute untrennbar mit Kornwestheim verbunden. Mitbegründer Max Levi emigrierte in den 1930er Jahren in die USA, die „Salamander Schuhfabriken“ wurden „arisiert“.

Ab 1934 profitierte Kornwestheim auch von den Aufrüstungsprogrammen der Wehrmacht. Es entstanden die Hindenburgkaserne und die Ludendorffkaserne für Panzerverbände. Auf Aldinger Gemarkung wurde im Verlauf der späten 1930er Jahre auf einem Teil des Exerzierplatzes ein Feldflugplatz angelegt, dessen Fertigstellung zwar gemeldet wurde, der aber wohl nie belegt wurde. Luftbilder der Alliierten aus dem Jahr 1945 lassen auch keine ausgebaute Rollbahn erkennen. Auf dem Areal entstand nach dem Zweiten Weltkrieg der Hubschrauberlandeplatz von Pattonville.

Noch auf Kornwestheimer Gemarkung, in Richtung Feldflugplatz befand sich seit 1940  eine schwere Flakstellung. Gegen Ende des Krieges wurde zusätzlich im Bereich des Gleisdreiecks südlich von Kornwestheim eine Schwere Eisenbahnflakbatterie stationiert, deren 10,5 cm-Kanonen auf Eisenbahnwaggons montiert waren, und die somit ihre Position verändern konnten.

Beim schwersten Luftangriff vom 28. Januar 1945 auf Kornwestheim kamen 41 Menschen um, und 300 Gebäude wurden getroffen. Die Gesamtzahl der Todesopfer durch Luftangriffe in Kornwestheim betrug 162 Menschen, darunter 17 Zwangsarbeiterinnen, die bei Salamander eingesetzt waren. Die 160 zerstörten Gebäude repräsentierten 8% des Bestands. Der Angriff von 28. Januar 1945 überlagerte in der Erinnerung der Kornwestheimer teilweise die vorangegangenen Luftangriffe, die seit Oktober 1944 vor allem die Bahnanlagen und die benachbarten Fabriken trafen.

Am 16.12.1944 hatte die USAAF die Bahnanlagen angegriffen und erheblich getroffen. Der Angriff forderte 30 Todesopfer unter der Bevölkerung. Zur Trümmerbeseitigung wurde auch ein Kommando aus dem KZ Leonberg nach Kornwestheim beordert, von dem eine Beschreibung erhalten ist, was sie am 18. Dezember dort vorfanden. „Mehr als hundert Lokomotiven waren zerstört und ragten teils kopfüber in den Himmel. Es war bitter kalt. Bis Ende des Jahres ging das Quecksilber herunter bis auf minus 18 Grad.“ Da es kaum zu essen gab, suchten die Häftlinge in den ausgebrannten Bahnwaggons nach Essensresten. Drei Juden, die aus einem Waggon Zigaretten aus Feldpostpaketen an sich nahmen, wurden daraufhin erschossen.

Die Kriegsgefangenen, die in einem Bahnwaggon den Bomben zum Opfer gefallen waren, und deren Leichen die KZ-Häftlinge ebenfalls bergen mussten, sind in der offiziellen Zahl der Bombenopfer nicht enthalten. Die Leonberger KZ-Häftlinge wurden täglich mit Bahnwaggons vom KZ nach Kornwestheim und zurück transportiert. Sie wurden bis Anfang März dort eingesetzt, also auch nach dem Luftangriff vom 28. Januar.

Im Archiv der NARA findet sich eine Aufnahme vom Angriff am 16. Dezember 1944, die Stuttgart zugeordnet ist. Auf der Rückseite der Luftaufnahme befindet sich folgende Erklärung: „Boeing B17 Flying Fortresses of the 8th Air Force score direct hits on Stuttgart marshalling yards during the 16 Dec 44 attack. Although the picture shows clear visibility, the target was obscured by cloud when the bombardiers released their bombs by instrument. Break in cloud layer reveals the accurate result.”

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Erklärung des Luftbilds vom 16.12.1944. Die USAAF war sich sicher, das Ziel „Bahnanlagen Stuttgart“ präzise getroffen zu haben.

Dieser Kommentar lässt zwei Möglichkeiten zu: Entweder der Angriff hatte nicht Kornwestheim gegolten, und er wäer in seiner gesamten Wucht der Verwüstung eigentlich ein Fehlschlag gewesen, wenn die USAAF die Bahnanlagen in Stuttgart treffen wollte, sie das unter Wolken verborgene Ziel aber verfehlte, und die Bomben basierend auf den Informationen der Bordinstrumente abwarf, und so das Bahnausbesserungswerk und den Verschiebebahnhof Kornwestheim zufällig, aber verheerend traf.

Ein Bericht in den Ludwigsburger Geschichtsblättern legt dar, dass der Angriff Kornwestheim und Bietigheim gegolten hatte. Der Güterbahnhof Kornwestheim wäre dann in den Unterlagen der USAAF einfach als „Stuttgart marshalling yards“ bezeichnet, d.h. Kornwestheim als Teil Stuttgarts betrachtet worden. Denn auch bei der Auswertung der Luftbilder wurde zwar die Präzision der Treffer hervorgehoben, aber nicht darauf eingegangen, dass die Aufnahme nicht Stuttgart zeigt.

Trotz der schweren Zerstörungen blieb der Güterbahnhof nur sechs Tage komplett außer Betrieb.