Stuttgart

Nach dem Führererlass vom 10. Oktober 1940, der den Bau von bombensicheren Luftschutzräumen im großen Ausmaß verfügte, organisierte die Stadtverwaltung in Stuttgart am 29. Oktober 1940 eine Begutachtung möglicher Bunkerstandorte.

Zu diesem Zeitpunkt verfügte Stuttgart bereits über mehrere unterirdische Luftschutzräume, die jedoch fast alle als betonierte Stollen ausgeführt waren. Es waren die Anlagen in der Heilbronner Straße, beim Neuen Schloss, bei der Handwerkskammer, sowie der Bunker der Stadtverwaltung unter dem Stuttgarter Rathaus. Die Anlagen wurden am 13. September 1939 von den Technischen Beiräten der Stadt Stuttgart besichtigt. Auch der Reichsbahnstollen in der Jägerstraße war bereits Anfang 1939 begonnen worden.

Als vordringlich zu errichtende Bunker wurden beschlossen die Tiefbunker unter dem Wilhelmsplatz in der Stuttgarter Altstadt, unter dem Marktplatz, unter dem Platz Ecke Lautenschlager-/Kronenstraße, unter den Bahnhofsvorplätzen in Feuerbach und Untertürkheim, unter dem Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt und in der Raitelsbergsiedlung.

Im Sommer 1941 standen die ersten Anlagen zur Verfügung.

Gedränge im Bunker

Wer heute die Möglichkeit hat, einen der Tiefbunker in der Stuttgarter Innenstadt zu besichtigen bekommt einen Eindruck von der Enge dieser Räumlichkeiten. In der Regel sind sie in kleine 2,9 x 2,04 m große Zellen unterteilt, die über schmale Gänge zu erreichen sind.

Allerdings kann nicht einmal der Ansturm auf den Marktplatzbunker bei der langen Nacht der Museen ein realistisches Gefühl für die Situation während des Krieges vermitteln.

Mit zunehmender Intensivierung der Luftangriffe spitzte sich die Situation in den öffentlichen Luftschutzräumen dramatisch zu. Die Bunker waren oft kaum in der Lage, den Ansturm der Schutzsuchenden aufzufangen. So berichtete eine Zeitzeugin, der Diakonissenplatzbunker sei bei den Angriffen 1944 so überfüllt gewesen, dass man nicht einmal mehr die Treppe hinunter konnte. Die Zahl der Schutzplätze war bald nur noch eine Zahl auf dem Papier. Tatsächlich drängte sich in die Schutzräume, was irgendwie hineinging.

In der Falle

Die Sicherheit der Tiefbunker war trügerisch und nicht immer gegeben. So starben am 08.Oktober 1943 im Tiefbunker unter dem Hindenburgplatz 36 Menschen durch den Einschlag einer Luftmine. Bei den Juliangriffen 1944 erhielt der Bunker unter dem Marienplatz einen Volltreffer von einer schweren Sprengbombe, die die Decke durchschlug und zwischen zwei Zellen explodierte. 15 Menschen kamen ums Leben, 22 wurden verletzt.

Auch die Großbrände in der Innenstadt bedrohten das Leben der Menschen in den Tiefbunkern. Am 26.Juli 1944 mussten die beiden Bunker unter Rathaus und Marktplatz geräumt werden, weil die Hitze der Flächenbrände in der Innenstadt zu groß wurde, und die Feuer so viel Sauerstoff abzogen, dass in den Bunkern Erstickungsgefahr herrschte. Hunderte Menschen mussten eiligst aus den Bunkern geholt und durch die brennenden Strassen in die Parkanlagen geschickt werden, durch einen Regen aus Funken und brennenden Trümmern.

Am 22. September 1944 musste der Bunker unter dem Diakonissenplatz evakuiert werden, weil die Flammen ihn komplett einzuschließen drohten. Die Räumung konnte noch rechtzeitig abgeschlossen werden.

Diese spektakulären Aktionen zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass die Organisation der Rettungskräfte und ihre Entscheidungsketten inmitten des Infernos funktionierten.

Konsequenzen

Die Stuttgarter Hochbunker überstanden den Krieg allesamt unbeschadet. Als vergleichsweise sicher hatten sich außerdem die Schutzräume in Tunnels und Stollen erwiesen, insbesondere die Großluftschutzräume im Schwab- und Wagenburgtunnel. Unter dem Eindruck der dramatischen Ereignisse und nach Analyse der Sicherheitsaspekte wurde in Stuttgart der Stollenbau forciert. Die topographische Lage der Stadt lieferte für diese Entscheidung ebenso starke Argumente, wie die zunehmende Knappheit an Baumaterial, die beim Stollenbau am wenigsten ins Gewicht fiel. Innerhalb weniger Monate entstanden so bis Kriegsende noch Dutzende von Stollen. Bunker wurden keine mehr gebaut.

Dennoch ist unbestreitbar, dass auch die Tiefbunker einen guten Anteil daran hatten, dass bei den 53 Luftangriffen in Stuttgart nicht noch mehr Menschen ums Leben kamen. Nach dem Krieg waren die Bunker gefragte Notunterkünfte für Einzelübernachtungen, als Hotels und als Notquartiere.

Die Geschichte der Tiefbunker
Marienplatz
Diakonissenplatz
Wilhelmsplatz
Leonhardtsplatz
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Folgende Tiefbunker in Stuttgart sind noch erhalten:

Marktplatz

Rathausbunker (Stadtverwaltung)

Marienplatz

Diakonissenplatz

Wilhelmsplatz

Leonhardsplatz

Feuerbach, Bahnhofsvorplatz

Feuerbach, Föhrich

Raitelsbergbunker

Bad Cannstatt, Sonnenbunker

Bad Cannstatt, Mühlgrün

Krankenhaus Bad Cannstatt/Mercedes Schuhfabrik

Bahnhof Bad Cannstatt (Bunker der Reichsbahn)

Untertürkheim, Karl-Benz-Platz