Stetten bei Haigerloch

Am Südrand des Ortes Stetten bei Haigerloch betreibt die Firma Wacker Chemie das älteste bergmännisch abbauende, heute noch betriebene Salzbergwerk Deutschlands. Mit den Arbeiten für das Salzbergwerk Stetten wurde Anfang März 1854 begonnen, nachdem 1850 die beiden Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen an das Königreich Preußen gefallen waren.

Wasser- und Kohlensäureeinbrüche verzögerten die Baumaßnahmen unter Tage und führten dazu, dass zusätzliche Arbeiten vorgenommen werden mussten. Die Tagesanlagen wurden bis 1858 fertiggestellt. Es entstand, eine Salzmühle, Bauwerke für die Energieversorgung, das Schachthaus, Werkstätten und Wohngebäude, sowie eine Saline. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Schachteinbauten ausgetauscht und 1920 eine neue Schachtmauerung eingezogen werden musste, wurde 1926 das hölzerne Fördergerüst durch einen eisernen Förderturm ersetzt. Außerdem wurde eine neue elektrische Fördermaschine aufgebaut.

In Stetten wurde bis 1924 wurde fast ausschließlich Siedesalz hergestellt. Bis 1883/84 stieg die Produktion von zunächst rund 800 t/Jahr auf 2000 t/Jahr, ging danach aber wieder zurück. Als die Wacker Chemie das Bergwerk 1924 übernahm lag sie bei 640 t/Jahr.

Die Wacker Chemie stellte die Produktion von Siedesalz auf Industriesalz um, und baute den Betrieb konsequent aus. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges stieg die Förderung auf mehr als 40.000 t/Jahr. Das Bergwerk beschäftigte damals ca. 50 Bergleute.

Im April 1944 begannen die Arbeiten an einer zusätzlichen Schachtanlage und zwei Stollen, die in den abgebauten Teil des Bergwerks führen sollten. Das Projekt wurde unter dem Decknamen „Steinbutt“ geführt. Auf 30.000 qm Fläche sollte in den nicht mehr genutzten Bergwerkteilen eine Fertigung von Getrieben für Sturmgeschütze als Verlagerungsbetrieb der Altmärkischen Kettenwerke ( Alkett) entstehen.

Die Alkett war 1937 als Tochterunternehmen der Rheinmetall-Borsig AG gegründet worden. Das Stammwerk lag in der Breitenbachstraße 33–36 in Berlin-Borsigwalde. Das Unternehmen wuchs schnell und wurde so zu einem der wichtigsten Lieferanten der Wehrmacht für Panzerfahrzeuge (Panzer II, III, Sturmgeschütze, Jagdpanzer IV, Flakpanzer I, u.a.). Nach alliierten Luftangriffen auf Berlin am 23. und 26. November 1943 waren im Stammwerks erstmals schwere Schäden, so dass bereits Verlagerungen der Produktion innerhalb Berlins eingeleitet wurden. Die zunehmenden Luftangriffe auch auf Berlin beschleunigten aber offenbar die Planungen für Verlagerungen auch nach Süddeutschland.

Die Arbeiten in Stetten kamen indes nur relativ langsam voran. Auch schienen sich Zweifel an der Machbarkeit der Getriebefertigung in dem Bergwerk einzustellen, so dass das Projekt zugunsten einer Teilverlagerung der Mauserwerke in Oberndorf umgewidmet wurde.

Der ehemalige griechische Zwangsarbeiter Nikos Skaltsas kam mit anderen Landsleuten Ende März, Anfang April 1945 vom Lager Halfingen/Tailfingen nach Haigerloch, wo in einem provisorischen Lager über 1.000 Griechen, Italiener, Polen, Russen und Franzosen untergebracht waren. Es waren Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Drei oder vier Tage nach der Ankunft im Lager Haigerloch wurden die Männer in das Salzbergwerk Stetten gebracht, wo sie Salz auf Loren verladen mussten. Das Salz wurde dann auf den Loren abtransportiert.

Am 16. April wurden die Griechen nach Tübingen verbracht. Auf dem Weg dorthin setzten sich die Bewacher jedoch ab. Die Griechen gingen zunächst alleine weiter nach Tübingen, kehrten aber umgehend nach Haigerloch zurück. Dort schufen sie sich im Unterholz eine provisorische Bleibe für die kommenden Tage. Am 23. April rückten die Amerikaner in Haigerloch und Stetten ein. Damit konnten die Griechen auch ihr Versteck verlassen.

Die Zwangsarbeiter des Salzbergwerks Stetten waren in Baracken an der Owinger Straße untergebracht. Hinter der dortigen OMV-Tankstelle sind auch bis heute noch die vermauerten Zugänge der beiden Stollen sichtbar, die dort 1944/45 begonnen worden waren.

Die zusätzliche Schachtanlage für „Steinbutt“ wurde nach dem Krieg wieder verfüllt. Die unterirdischen Tunnel sind inzwischen über 250 km lang, obwohl die Wacker Chemie seit 1997 nicht mehr benötigte Hohlräume wieder verfüllt.