Steinhaldenfeld

Die Steinhaldenfeldsiedlung ist genauso wie die Siedlungen im Wolfbusch und Neuwirtshaus unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten begonnen worden. Die Geschichte dieser Siedlungen zeigt deutlich, wie schnell bereits geplante Siedlungsvorhaben auf Stuttgarter Gemarkung neu ausgerichtet und dann umgesetzt wurden. Die Schwäbische Siedlungsgemeinschaft in Steinhalden war erst 1932 gegründet worden. 1936 war die Siedlung weitgehend fertig. 611 Siedler wohnten nun mit ihren Familien auf dem Kamm oberhalb des Neckars.

Hohe Priorität

Als in Rahmen des „Führersofortprogramms“ die Standorte für mit höchster Priorität zu errichtende Bunker festgelegt wurden, gehörte Steinhaldenfeld dazu. Die Luftschutzräte der Stadt Stuttgart einigten sich mit ihrem Berater Prof. Bonatz auf zwei kleinere, baugleiche Hochbunker an je einem Ende der Siedlung.

Die Bunker haben eine Grundfläche von 144 m2 und waren für jeweils 1.200 Personen vorgesehen. Die Außenwände sind 1,10 m dick, die Decke zwischen 1,60 m und 1,80 m. In vier ober- und einem unterirdischen Stockwerk waren 39 Räume mit je 2,90 m x 2,45 m eingebaut. Auf jeder Etage gab es einen Toiletten- und Waschraum. Im Untergeschoss wurden zwei Heizkessel der Firma Buderus installiert, die mit Koks beheizt wurden. Über die Lüftungskanäle konnte die Warmluft in alle Stockwerke geleitet werden.

Am 15. April 1943 wurde Steinhaldenfeld zum erstenmal Ziel alliierter Flugzeuge. In der Folgezeit erlebte die Siedlung immer wieder Bombenangriffe. Obwohl die Siedlung eigentlich schon sehr stark den zeitgenössischen Vorstellungen einer Luftschutzgerechten Bebauung entsprach – viele kleine Wohneinheiten, möglichst weit auseinandergezogen um die Wirkung von Bombentreffern zu minimieren – wurden zahlreiche Häuser kaum 10 Jahre nach ihrer Fertigstellung zerstört. Die massierte Wucht der Flächenbombardements durch Bomberflotten mit bis zu 1000 Flugzeugen war allein durch eine aufgefächerte Besiedlung nicht abzufangen.

Notunterkunft

Nach dem Krieg wurden die Bunker als Notunterkunft des Evangelischen Hilfswerks Württemberg genutzt. Sie beherbergten Ausgebombte und Flüchtlinge. Die Betreuung der Bunkerbewohner vor Ort wurde den Pfarrern übertragen, die in den Kirchen auch um Spenden für die Bewohner baten. Freilich blieben Spannungen in der beengten Situation nicht aus. So warb die Evangelische Landeskirche z.B. im Februar 1946 in einem Rundschreiben dafür, vor allem die Kinder der Flüchtlinge zu unterstützen und sie nicht auszugrenzen. Ein notwendiger Appell in Zeiten von Wohnungsnot, allgemeinem Mangel, Hunger und Armut.

Im Zuge des Entfestigungsbeschlusses wurden Fenster in die Bunker gesprengt, teilweise wurden sie auch herausgemeißelt. Den Bewohnern brachte dies zumindest teilweise Tageslicht in ihre Räume.

Kolpingstraße 90

In Bunker in der Kolpingstraße lebten 1951 22 Familien mit insgesamt 84 Personen. Sie belegten 35 der 39 Räume im Bunker. Das Bauwerk wurde bis 1961 als Wohnheim genutzt. Erst am 9. April 1962 ging es an das Amt für Liegenschaften und Wohnen der Stadt Stuttgart. Da erwartet wurde, dass durch den Kalten Krieg auch die Bunker in Steinhaldenfeld wieder instandgesetzt würden, erfuhren sie eine Zwischennutzung als Lagerräume und als Proberäume für Musiker. Anders als 1941 stand die Siedlung allerdings auf der Prioritätenliste nicht weit oben. So wurde die Sanierung und Instandsetzung immer weiter verschoben. 1974 wurde schließlich mit ersten Renovierungen begonnen. Der Bunker erhielt Dachrinnen und es wurden Bäume gepflanzt, um den optischen Eindruck aufzubessern. Die Fassade wurde gestrichen. Die Moniereisen, die die Travertinverkleidung mit der Außenwand hätten verbinden sollen, wurden entfernt. Heute beherbergt der Bunker ein Turmuhrenmuseum, das auf drei der fünf Etagen untergebracht ist. Einige Teile des Bunkers sind originalgetreu restauriert und geben so einen Einblick in die Geschichte des Bunkers. In den Sanitärräumen sind noch die in allen Stuttgarter Bunkern eingebauten Waschtröge aus Feuerton erhalten. Auch die Buderus-Heizkessel im Keller sind noch heute vorhanden. Das Bauwerk kann mit Kleingruppen auf Anfrage besichtigt werden.

Zuckerbergstraße

Der Bunker in der Zuckerbergstraße ist Baugleich zu dem in der Kolpingstraße. Auch dieser Bunker diente nach dem Krieg als Notunterkunft. Heute präsentiert er sich in einer deutlich anderen Optik als sein „Zwillingsbruder“. In der Zuckerbergstraße war bereits mit der Verkleidung mit Travertin begonnen worden, als diese Maßnahme aus Geldmangel komplett eingestellt wurde. Allerdings wurde lediglich ein Rahmen um den Bunkereingang angebracht.

Auch hier waren nach dem Krieg  zunächst Flüchtlingsfamilien untergebracht. Später wurde der Bunker als Lagerraum vermietet. Von 1998 – 2008 beispielsweise hatte der aus Neckarsulm stammende Künstler Georg Mühleck den Bunker gemietet. Hier lagerte er nicht nur zahlreiche seiner Werke, sondern es entstanden auch etliche Werke im Bunker. Als er 2008 auszog meldete er der Spedition 55 Kubikmeter an Umzugskisten.

Da das Bauwerk im Gegensatz zum Bunker in der Kolpingstraße vergeblich auf eine größere Sanierung wartete, kann man hier noch sehr gut den Nachkriegszustand sehen. Zwar wurden auch hier Fenster eingesprengt, die Moniereisen zum Halt der Travertinverkleidung ragen jedoch noch heute aus der Fassade und verleihen dem Bauwerk etwas Unfertiges. Inzwischen ist der Bunker ist in Privatbesitz. Nach jahrelangem Dornröschenschlaf begann 2012 die Diskussion um die Idee, den Bunker in ein Wohnhaus umzubauen.

Als einzige Bunker in Stuttgart besitzen die beiden in Steinhaldenfeld noch heute das ursprünglich vorgesehene Pyramidendach. Sie geben damit nicht nur einen interessanten Blick auf die 1941 vorgesehene Optik, sondern fügen sich auch sehr gut in die Siedlung ein.

2 Antworten zu Steinhaldenfeld

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