Die Mörin

die mörin, Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte Sachsenheim e.V.

„Am 15. Februar 1939 waren Offiziere des Luftgaukommandos München beim Bürgermeisteramt Großsachsenheim und erläuterten Bürgermeister Vetter die Planung eines Flugplatzes in Großsachsenheim.“

So beginnt Heft 8 der Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte Sachsenheim e.V. vom September 1996, verfasst von Fritz Krohmer.

Im Oktober 1940 wurde mit dem Bau des Flugplatzes begonnen, 1942 ist er fertig und dient zunächst einer Schulflugstaffel als Horst. Später wird hier eine Tagjagdstaffel mit Me 109 stationiert, im Juli 1944  eine Nachtjagdstaffel mit JU 88 und Me 110. Diese fliegen Einsätze gegen feindliche Bomber zwischen Paris, Köln, Chemnitz und München. Immer wieder wird der Flugplatz von den Alliierten angegriffen, werden Maschinen am Boden zerstört, das Gelände teils erheblich verwüstet.

Neben dem Flugplatz wurde ein Lager für Zwangsarbeiter errichtet. Ihre Aufgabe war es, die Schäden durch Bombenangriffe zu beseitigen. Dazu wurde unter anderem auch der Aushub aus den Luftschutzstollen in Bietigheim verarbeitet. Auch waren sie für eine Erweiterung der Startbahn vorgesehen, die nach Osten hin erfolgen sollte.

Ein anderer Teil des Lagers war das sogenannte Krankenlager, in das zahlreiche Zwangsarbeiter aus anderen Lagern der Region abgeschoben wurden, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig waren, wie z.B. aus dem KZ Leonberg. Da das Krankenlager keine Möglichkeit zur ausreichenden medizinischen Versorgung der kranken Häftlinge hatte, war es letztlich ein Sterbelager.

Mit dem Bau der längeren Piste sollten die Voraussetzungen zum Einsatz der Me 262 geschaffen werden. Zwei der strahlgetriebenen Jäger landeten im Frühjahr 1945 bereits auf der eigentlich zu kurzen Landebahn in Großsachsenheim. Die Verlängerung wurde allerdings nicht mehr realisiert.

Erst als die Front in unmittelbare Nähe rückt, werden die Nachtjäger am 29./30.03.1945 nach Schleißheim verlegt, wo sie am 30.04.1945 kapitulieren. Von Großsachsenheim aus hatten sie in 43 Einsätzen 158 gegnerische Maschinen abgeschossen und selbst 92 Flugzeuge verloren.

Am 08. April 1945 besetzte die französische Armee den Flughafen. Bald darauf wurde er an die US Army übergeben. Nachdem diese zunächst eine Stationierung von Jagdflugzeugen erwogen hatte, wurde stattdessen die erste ortsfeste Atomraketenabschussbasis für das Nike-System auf dem Gebiet der Bundesrepublik errichtet.

Das Gelände wurde bis 1990 von den US-Streitkräften genutzt. Heute erinnert an dieses historische Erbe fast nichts mehr. Das ehemalige Flughafengelände ist heute teilweise überbaut, der Rest ist wieder landwirtschaftlich genutzt.

Fritz Krohmer hat auf 36 Seiten die Geschichte knapp und präzise beschrieben und lässt Zeitzeugen zu Wort kommen. Dass das Heft nur sechs Jahre nach der Aufgabe des Areals durch die US Army verfasst wurde, macht es zusätzlich zu einem authentischen Zeitdokument.

Der Verein für Heimatgeschichte Sachsenheim e.V. hat sich inzwischen erfreulicherweise erneut der Geschichte des Flughafens angenommen. Im März 2013 erschien „die mörin“ Heft 74 als Teil 1 einer Gesamtbetrachtung der Zeit von 1939 – 1994. Herbert Ade-Thurow fasst darin auf 40 Seiten den aktuellen Forschungsstand zur Geschichte des Wehrmachts-Flugplatzes 1939-1945 zusammen. Im Herbst 2013 folgte in Heft 76 der 2. Teil, der die Geschichte nach Kriegsende und vor allem die Nike-Raketenstellung der U.S. Army 1957-1994 behandelt. Auf 48 Seiten hat Herbert Ade-Thurow mit vielen Fotos ein beeindruckendes Dokument des Kalten Krieges in Großsachsenheim geschaffen, das verdeutlich wie wenig vorstellbar auch dieser Teil der Geschichte heute noch ist.

Die Geschichte des Krankenlagers und seines Lagerarztes Dr. Adolf Levi hatte Hermann Albrecht im Heft 28 (September 2001) veröffentlicht. Das Lager war bei Kriegsbeginn als „Südlager der Luftwaffe“ für beim Bau des Fliegerhorsts eingesetzte Arbeitskräfte errichtet worden. Ab Februar 1943 beanspruchte das Landesarbeitsamt als zuständige Behörde für Fremdarbeiter das Lager als Krankenlager und Entbindungsstation für schwangere Zwangsarbeiterinnen. Vor allem ab Anfang 1945 wurde das Lager zum regionalen Sterbelager, in das todkranke Zwangsarbeiter aus anderen Lagern der Region, u.a. auch aus Leonberg, eingeliefert wurden. 681 Häftlinge starben 1943 – 45 in diesem Lager, fast 77% an Tuberkulose. Die allermeisten dieser Häftlinge waren Russen.