Milbertshofen

Mit dem Trümmerberg neben dem Olympiagelände beherbergt Milbertshofen ein Monument, das dauerhaft an den 2. Weltkrieg erinnern wird. Die Geschichte des Stadtteils ist jedoch auch generell erheblich von Militär und Industrie geprägt.

Schießplatz für die Artillerie

Seit 1784 wurde das Oberwiesenfeld von der bayerischen Artillerie genutzt. Für die Kanonen wurden 1804 feste Schießplätze mit 1.400 Schritt Länge geschaffen und hohe Erdwälle als Kugelfang. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wuchs die bayerische Armee kontinuierlich und auch die in München stationierten Truppen nahmen zu. Andererseits wurde das von Infanterie und Kavallerie als Exerzierplatz genutzte Marsfeld zunehmend bebaut, so dass das Militär sich genötigt sah das Gelände am Oberwiesenfeld zu erweitern. 1887 begannen die Verhandlungen für das Areal, auf dem sich heute das Olympiagelände befindet.

Auf dem Areal entstanden auch zunehmend Gebäude: Mehrere Kasernen, das Bekleidungsamt des 1. Armeekorps, das Zeughaus, das Pulvermagazin und die Militär-Lehrschmiede. 1889/90 wurde an der Dachauer Straße die Eisenbahn-Kaserne errichtet. Teile dieser Kaserne stehen noch heute und beherbergen zum Teil noch immer Dienststellen der Bundeswehr. Zu den Einrichtungen der Eisenbahnkaserne gehörte eine Feldbahn-Übungslinie, die ursprünglich auf der aufgelassenen Eisenbahntrasse nach Landshut durch den Exerzierplatz bis zum Schießplatz Freimann führte.

Von der Luftschiffer-Kaserne zum Flughafen

1896 wurde die Luftschiffer-Kaserne fertiggestellt. Mit ihr zog die Fliegerei dauerhaft auf dem Oberwiesenfeld ein. Erste Ballon-Starts hatte es dort bereits ab 1890 gegeben. 1909 landeten die ersten Luftschiffe auf dem Oberwiesenfeld, die Parseval III und die Zeppelin L 1. Auch erste Flugzeuge wurden hier stationiert. Die 1910 von Paul Gans-Fabrice gegründete private „Bayerische Flieger-Schule“ wurde 1911 vom Kriegsministerium übernommen. 1910 gründete Gustav Otto an der Schleißheimer Straße die „Gustav Otto Flugmaschinenwerke“, deren Basis eine Lizenz zum Bau von Blériot-Flugzeugen bildete. Etwa zur gleichen Zeit gründete Karl Rapp die „Rapp Motorenwerke“. Die beiden Firmen bildeten die Keimzellen der späteren BMW, die 1916 als Bayerische Flugzeugwerke AG gegründet wurden.

1912 erfolgte die Gründung der königlich bayerischen Fliegertruppen. Damit hatte Bayern eine Luftwaffe, die sich nach dem Ende des 1. Weltkrieges auch an der Niederschlagung der Räterepublik beteiligte. Auf dem Oberwiesenfeld bildete sich ab 1911 ein symbiotisches Nebeneinander von Flugzeugindustrie und Militär heraus, das durch den Versailler Vertrag jedoch zunächst beendet wurde.

Nachdem Mitte der 1920er Jahre Deutschland die Wiederaufnahme der zivilen Luftfahrt genehmigt wurde, erfolgte die Gründung der Lufthansa und die Wieder-Inbetriebnahme von zahlreichen Flugplätzen. Auf dem Oberwiesenfeld entstand nun ein Verkehrsflughafen, der das Areal zwischen der Moosacher Straße im Norden und dem Nymphenburger Kanal belegte. Das Gebiet südlich des Nymphenburger Kanals bis zur Hohenzollernstraße blieb Exerzierplatz. Das Rollfeld maß 1,6 auf 1,3 km. Zu Beginn des Flugbetriebs 1926 gab es weder für Passagier noch für Frachtgut Gebäude auf dem neuen Flughafen. Erst 1929 wurden im Norden des Areals beim Werk der Knorr Bremse Holzbaracken für die Abfertigung von Passagieren, Post und Fracht errichtet. Da es kein Wartungshalle gab, mussten die Flugzeuge zur Wartung nach Oberschleißheim geflogen werden.

1930 konnte der Wartungshangar fertiggestellt werden und 1931 das Verwaltungsgebäude an der ehemaligen Lilienthalstraße. Am 12. März 1933 landete Adolf Hitler bei seinem München-Besuch auf dem Oberwiesenfeld, das weiträumig abgesperrt werden musste, damit die zehntausende Anhänger und Schaulustigen den Flugverkehr nicht zum Erliegen brachten. Allerdings zeigte sich schon bald, dass der Standort nicht entwicklungsfähig war und so wurde der Flughafen München am 25. Oktober 1939 nach Riem verlegt.

Der Weg zum Industriestandort

Auf dem verbliebenen Militärareal waren ab 1933 weitere Kasernenbauten entstanden. Die BMW verlegte sich nach dem 1. Weltkrieg zunächst auf den Bau von Motorrädern, da eine Produktion von Flugmotoren durch den Versailler Vertrag nicht möglich war. Das Unternehmen durchlebte mehrere Krisen, die 1922 zum Umzug von der Moosacher Straße an die heutige Lerchenauer Straße, und damit an den heutigen Standort, führten. Mit der Übernahme der „Fahrzeugfabrik Eisenach“ stieg BMW 1928 in den Automobilbau ein, bis zum Ende des 2. Weltkriegs erfolgte diese aber in Eisenach, während in München Motorräder und ab den 1930er Jahren auch wieder Flugzeugmotoren produziert wurden.

Obwohl nach 1933 auch wieder insgesamt sieben neue Kasernen in München gebaut wurden, war die Wandlung Milbertshofens von einem weitgehend militärisch dominierten Ort zu einem aufstrebenden Industriestandort nicht mehr aufzuhalten. Sowohl BMW als auch Knorr Bremse und weitere Firmen aus dem Fahrzeug- und Flugzeugbau sowie Zulieferbetriebe prägten zusehends das Gesicht Milbertshofens.

Milbertshofen-Map 001

Ausschnitt aus dem Stadtplan von München 1945 mit Milbertshofen und Oberwiesenfeld. Die Karte zeigt auch den Zerstörungsgrad der Stadt. Grau = unzerstört, dunkelrot = teilzerstört, hellrot = total zerstört. Während Moosach, Gern und Milbertshofen eher geringe Zerstörungen aufwiesen, hatte Schwabing massive Zerstörungen hinnehmen müssen.

Neben den zahlreicher werdenden Werksgebäuden entstanden auch vermehrt Wohngebäude für die in diesen Werken Beschäftigten. Der Architekt Hermann Giesler plante im Auftrag des NS-Regimes eine komplette Neuordnung des Münchener Nordens. Im Zuge dieser Planung sollte auch der Güterbahnhof auf das Oberwiesenfeld verlegt werden, nordwestlich davon sollte ein großer Rangierbahnhof entstehen, der unter anderem einen Vieh- und Schlachthof und Großmarkthallen an die Bahn anschließen sollte. Da diese Projekte weitere zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würden, waren auch weitere Wohnungen erforderlich. Von diesen Projekten wurden bis Kriegsende jedoch lediglich mehrere Wohnungsbau-Vorhaben realisiert.

Die Hochbunker

Zum Schutz der wachsenden Bevölkerung Milbertshofens vor Luftangriffen wurden 1941 vier Hochbunker gebaut, die alle noch heute erhalten sind. Die Luftschutztürme sind alle nach Plänen des städtischen Hochbauamts errichtet worden. Der zuständige Architekt war Karl Meitinger. Zwei der Hochbunker haben einen kreisrunden Grundriss, die beiden anderen einen achteckigen. Der Hochbunker an der Ecke Schleißheimer-/Keferloher Strasse trägt noch heute ein aufgesetztes Ziegelgedecktes Pyramidendach.

Ob der Hochbunker an Anhalter Platz eine Plattform für eine leichte Flugabwehrkanone erhielt, ist unklar. Es kann genauso gut ein, dass auch er mit einem Pyramidendach versehen war. Allerdings könnte die Plattformkonstruktion auf dem Dach durchaus für ein Flak ausgelegt gewesen sein. Der Bunker weicht auch in der Anordnung der Eingänge von vergleichbaren Bauwerken ab. Anders als bei diesen ist der ebenerdige Zugang nicht mittig in einer Wand angeordnet, sondern am Rand und damit nicht genau gegenüber des Zugangs im 1. OG.

Der Bunker Schleißheimer-/Keferloher Strasse hat 6 Stockwerke und konnte 514 Menschen aufnehmen. Die Bauausführung besorgte die Firma Kunz & Co. Das Unternehmen realisierte auch den Hochbunker am Anhalter Platz, der auf 5 Stockwerken Schutzplätze für 450 Menschen bot.

Luftschutztürme mit achteckigem Grundriss finden sich in mehreren Stadtteilen von München, und auch in Allach wurden solche Hochbunker gebaut, die sich in Optik und Dimension weitgehend ähneln. Die Kanten der Außenwände dieser Bunkertypen sind mit Natursteinklinkern versehen, die Fassaden selbst sind verputzt und farbig angestrichen, üblicherweise in Pastelltönen, z.B. ocker oder grau. Die angebauten Außentreppen aus Stein wurden jedoch individuell der Grundstücksituation angepasst.

Alle vier Hochbunker in Milbertshofen haben eine Außentreppe, die nur nach einer Seite ausgerichtet ist. Beim Bunker in der Riesenfeldstraße führt  sie im Gegenuhrzeigersinn zum 1. OG, in der Lerchenauer Straße im Uhrzeigersinn.  Bei den beiden achteckigen Luftschutztürmen führen die Außentreppen im Gegenuhrzeigersinn nach oben.

Die beiden runden Türme in der Riesenfeldstraße und Lerchenauer Straße sind baugleich. Sie haben 5 Stockwerke und konnten jeweils 448 Personen aufnehmen. Die Planzeichnungen zeigen für die Bunker ein aufgesetztes Kegeldach, das mit Ziegeln eingedeckt war. Der Bunker in der Lerchenauer Straße wurde von der Firma Leonhard Moll errichtet. In der Riesenfeldstraße zeichneten die Gebr. Rank für den Bau verantwortlich. Dieser Bunker wurde mit Ziegelmauerwerk verklinkert.

Kriegsschäden und Olympia

Zwar befanden sich mit den Batterien Moosach und Hasenbergl zwei schwere Flakbatterien in unmittelbarer Nähe des Industrieareals am Oberwiesenfeld. Diese konnte jedoch nicht verhindern, dass das BMW-Werk bei einem Luftangriff am 12./13. Juli 1944 weitgehend zerstört wurde.

Auch in den Wohngebieten Milbertshofens entstanden erhebliche Zerstörungen, so dass nach dem Krieg die Hochbunker und die in den Fabrikarealen errichteten Barackenlager für Zwangsarbeiter als Behelfsunterkünfte für die Bevölkerung genutzt werden mussten. Auch das bei Knorr Bremse errichtete Judenlager, in dem die Münchener Juden vor ihrer Deportation einquartiert worden waren, diente nach dem Krieg als Notunterkunft. Zahlreiche Baracken waren bis in die 1950er Jahre bewohnt.

Die Hochbunker Milbertshofens sind heute allesamt ungenutzt. Lediglich der Bunker in der Riesenfeldstraße hat eine gewisse neue Funktion zugewiesen bekommen. 2001 wurde direkt neben im ein 35 m hoher Abluftkamin für den Petueltunnel gebaut und die beiden Bauwerke mit einer Brücke verbunden. Somit dient der Bunker als Treppenhaus zum Abluftkamin für Wartungsarbeiten.

Das einstige Flugplatzgelände auf dem Oberwiesenfeld ist heute weitgehend überbaut. Neben Gebäuden von BMW befinden sich auf dem Areal auch die Wohnanlagen, die aus dem Olympischen Dorf entstanden sind, dazu Sport- und Grünanlagen. Das letzte Areal des Exerzierplatzes auf dem Oberwiesenfeld wurde teilweise für den Trümmerberg herangezogen und schließlich vollständig für das Olympiagelände genutzt.