Vaihingen, Nesenbachviadukt

Am 01. April 1942 wurden Vaihingen und Rohr zusammen mit mehreren weiteren Fildergemeinden nach Stuttgart eingemeindet. 1938 hatte die Wehrmacht die Panzerkaserne in Vaihingen eröffnet, im gleichen Jahr wurde im Endelbang beim Pfaffenwald die Kaserne für die motorisierte Gendarmeriebereitschaft fertig, zu der ein großer Funkmast für die polizeieigene Sendeanlage gehörte. Der Reichsarbeitsdienst war bereits 1934 nach Vaihingen gekommen, um die Autobahn zu bauen.

Während des Krieges errichtete die Luftwaffe eine Scheinflakstellung an der Büsnauer Straße, die ab 1943 mit Schwerer Flak belegt wurde. Bis zur Eingemeindung nach Stuttgart blieben Vaihingen und Rohr von Luftangriffen verschont. Vermutlich gegen Ende 1942 wurde mit dem Ausbau eines ehemaligen Bierkellers der Robert Leicht AG (Schwabenbräu) in der Schillerstraße (heutige Haeberlinstraße) zum Luftschutzstollen begonnen.

Oberhalb des Nesenbachviadukts entstand eine Stollenanlage, die im Kern 3 Zugänge zur Schillerstraße hatte und die aus 2 längs zum Hang liegenden Gängen bestand, welche mit 4 Querstollen verbunden waren. Hinzu kamen noch 2 Stollensegmente in Richtung Vaihingen.

Zugang I lag nur wenige Meter oberhalb des Viadukts, Zugang II lag ca. 12 m hangaufwärts und Zugang III in 43 m Distanz in Richtung Vaihingen. Der Kern des Stollens bestand aus zwei ca. 48 m lange längs im Berg verlaufende Röhren, die ca. 7,5 m auseinander lagen. Der Gang vom Eingang I führte geradeaus in den Berg bis unter den Bahndamm und verband beide Längsstollen direkt. Die beiden anderen Zugänge mündeten in den vorderen Längsstollen, von dem aus versetzt drei weitere Verbindungen zum hinteren Längsstollen führten.

Der vordere Längsstollen und drei der vier Verbindungen in den hinteren Längsstollen waren ausbetoniert worden, die weiteren Teile der Anlage wurden nicht ausgebaut, vermutlich, weil Material und Arbeitskräfte fehlten. Denn bis Mitte 1944 soll der Stollen nur teilweise fertig gewesen sein, mit nur einem nutzbaren Zugang und für etwa 600 Personen. Zugeteilte Arbeitskräfte waren teilweise zur Beseitigung von Bombenschäden wieder abgezogen worden. Dabei war Vaihingen sowohl am 22.November 1942, als auch am 11. März 1943 bei britischen Luftangriffen schwer getroffen worden. Und auch am 15. März 1944 fielen Bomben auf Vaihingen.

Nun wurde die Bauleitung an die Firma Wolfer & Goebel übertragen. Bis 19.11.1944 war ein zweiter Zugang erstellt. Und trotz der Widrigkeiten wurde das Bauwerk noch stark erweitert. Die vordere Röhre wurde als ca. 80 m langer Stollen weiter Richtung Vaihingen geführt. Von diesem zweigte ein ca. 56 m langer Stollen zum Fanny-Leicht-Gymnasium ab, der bis zum Schulgelände ausgebrochen wurde. Ob er dort noch einen Zugang erhielt, ist nicht klar. 1980 wurde im 2. UG des Schulgebäudes eine Vermauerung aufgebrochen. Dahinter befand sich ein 70 cm breiter, 130 cm hoher und 12 m langer Fluchtstollen, aber kein Zugang zu dem Stollensystem.

Zur Kaltentaler Abfahrt waren am oberen Ende des Stollens im Abstand von etwa 30 m zwei Zugänge vorgesehen. Für den näher am Viadukt gelegenen Zugang wurde im Berg zumindest ein Schleusenbereich ausgebrochen. Diese beiden Zugänge scheinen aber bis Kriegsende nicht mehr fertiggestellt worden zu sein.

Die Gesamtgrundfläche der Stollenanlage betrug 1.830 qm, die Anlage war für 2.200 Menschen vorgesehen. Neben einer einfachen Lüftungsanlage und elektrischer Beleuchtung gab es Trockentoiletten und teilweise Holzbänke.

Bei den Bauarbeiten für den neuen Nesenbachviadukt wurde der Stollen am Zugang II Anfang 1981 versehentlich aufgebaggert. Die Überdeckung an dieser Stelle betrug ca. 10 m.

Dieser Vorfall führte dazu, dass das Bauwerk im März 1981 genau untersucht wurde. Teile des ungesicherten Ausbruchs wurden verfüllt. Der Rest wurde als erhaltenswert eingestuft und, obwohl keinerlei Technik mehr in dem Stollen war, in der Zivilschutzbindung belassen, die erst 2007 endete. Auch wurde eine neue Zugangssituation beim Viadukt geschaffen.

Die Seite geschichtsspuren.de klassifiziert das Bauwerk als „Instandgesetzter Altbau“. Eine Instandsetzung im Sinne einer Ertüchtigung, wie sie andere Bauwerke während des Kalten Krieges erfuhren, fand allerdings nie statt. Seit 2007 ist die Anlage sich praktisch selbst überlassen.