Atommuseum Haigerloch

Stadtverwaltung Haigerloch, 1982, 168 Seiten

Diesem Buch wird teilweise vorgeworfen, es werfe nicht ausreichend Licht auf die deutschen Bestrebungen einer eigenen Atombombe. Und auch die wiedergegebenen Texte seien teilweise zweifelhafte Referenzen.

Tatsächlich werden die deutschen Bemühungen in der Atomforschung 1939 – 45 zwar knapp beschrieben, aber sicher nicht erschöpfend behandelt. Dies kann aber auch nicht der Sinn eines Begleitbuchs zum Atommuseum Haigerloch sein. Denn im „Atomkeller“ in Haigerloch fand im Frühjahr 1945 nur genau ein Versuch statt. Er schlug fehl, war aber zielführend. Die deutschen Forscher hatten einen Atommeiler geschaffen, der anlief, aber nicht kritisch wurde. Aus den Messergebnissen konnten sie ablesen, dass er kritisch geworden wäre, wenn sie die 1,5-fache Menge Material eingesetzt hätten.

Dazu kam es jedoch nicht mehr. Ausreichend Material (Uran und Schweres Wasser) war nicht mehr vorhanden und die Front war schon in unmittelbarer Nähe. Doch der B VIII genannte Versuch hatte den durch einen Rechenfehler 1941 verlorenen Anschluss an die amerikanischen Arbeiten gebracht. Ein funktionierender deutscher Reaktor wäre möglich gewesen. Man hatte in Haigerloch den Bewies erbracht.

Das Buch des Atommuseums zeigt die Geschichte des „Atomkellers“ vor allem anhand von Texten der beteiligten Wissenschaftler, von Dokumenten, Auszügen aus Büchern zum Thema und amerikanischen Berichten sowohl der Alsos-Mission, die die deutschen Atomwissenschaftler in amerikanische Hände bringen sollte, als auch der wissenschaftlichen Stellen, die die deutschen Berichte analysierten. Gerade dort finden sich Aussagen, die den Vorwürfen an dieses Buch widersprechen. Die Clinton Laboratories kommen am 08. Nov. 1945 zu dem Schluss: „Wir würden generell sagen, dass ihre Methode in keiner Weise unserer unterlegen war. In mancher Hinsicht war sie überlegen“ (zum Stand der deutschen Theorie zur Kettenreaktion). Und: „Der allgemeine Eindruck von den deutschen Berichten ist dass sie auf dem rechten Weg waren und dass ihr Denken und die Entwicklungen in erstaunlichem Maß parallel zu den unseren liefen. Die Tatsache, dass sie in ihnen keine Kettenreaktion erreichten, kommt primär daher, dass sie nicht genügend Schweres Wasser besaßen.“

Wer die Geschichte des „Atomkellers“ betrachtet, muss also differenzieren. Die Kettenreaktion und damit ein funktionierender Reaktor waren in Haigerloch mit dem B VIII-Versuch zum Greifen nah. Eine Bombe hätte dort jedoch nicht gebaut werden können. Hiervon waren die Versuche der Gruppe um Werner Heisenberg noch relativ weit weg. Das Buch bleibt die historische Überprüfung der gemachten Aussagen der Beteiligten schuldig. Dies mag man ihm vorwerfen. So z.B. die Aussagen, man habe Hitler und Speer 1942 klar gesagt, dass eine Bombe erst in mehreren Jahren möglich sei, was dazu geführt hätte, dass man nur geringe Forschungsgelder bekommen habe. Die ebenfalls ungeprüft wiedergegebenen Aussagen Albert Speers zeigen freilich, dass dieser das Projekt fördern wollte. Und sie weisen auch in eine Richtung, die bis heute kaum beleuchtet wurde: Speer erwähnt ein Interesse der Kriegsmarine am Reaktor zur Energiegewinnung für die U-Bootwaffe. Interessanterweise gibt es bis heute keine öffentliche Arbeit zur Energiewirtschaft im 3. Reich. Dabei war schon seit den frühen 30er Jahren massiv Erdgas als Energiequelle für Privathaushalte propagiert worden. Die Kohle sollte offenbar nicht mehr zuhause, sondern in Hochöfen und Kohlekraftwerken wie z.B. in Marbach verheizt werden. Doch die Nutzung von Kohle zur Energiegewinnung verursacht einen erheblichen Transportaufwand. Welche Auswirkung hätten funktionierende Kernreaktoren auf die deutsche Kriegswirtschaft gehabt! – Durch die weitgehend unkommentierte Versammlung von Quelltexten zeigt dieses Buch nicht nur die Geschichte des Versuchs B VIII in Haigerloch und der zugehörigen Umstände auf, sondern es liefert vor allem Denkanstösse für eine Reihe von Diskussionen und Vertiefungen.