Mühlgrün

Der Neckarhafen in Untertürkheim war vor allem ein Projekt des frühen 20. Jahrhunderts. Insbesondere die Nationalsozialisten hatten die Planungen zu Standort, Form und Umfang des Hafens vorangetrieben, das Projekt jedoch 1940 „bis nach dem Krieg“ auf Eis gelegt.

Neu war die Idee zum Neckarhafen bei Stuttgart jedoch keineswegs. Bereits im 15. Jahrhundert gab es Versuche durch die Grafen von Württemberg, den Neckar bis Cannstatt schiffbar zu machen. Ein Projekt, gegen das die Reichsstadt Heilbronn erbittert Widerstand leistete. Durch die Hilfe Kaisers Karl V. wurde 1557 ein Vergleich erzielt, dessen Auswirkungen zunächst jedoch kaum spürbar waren. Erst 1713 wurde die Schiffbarmachung des Neckars zwischen Cannstatt und Heilbronn abgeschlossen. In Cannstatt hatten die Württemberger zeitgleich ihre Vorbereitungen für diesen Meilenstein der Württembergischen Binnenschifffahrt abgeschlossen: Der erste Cannstatter Hafen konnte am Mühlgrün durch Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg eingeweiht werden.

Knapp 90 Jahre bevor eine Eisenbahn nach Cannstatt gebaut wurde, hatte die Stadt am Neckar einen Hafen, und damit eine Anbindung an ein für die damalige Zeit leistungsfähiges Transportsystem für schwere und Massengüter.

Von diesem Hafen ist heute freilich nichts mehr zu sehen. Vielleicht kann man das dort liegende Theaterschiff als eine symbolische Erinnerung empfinden.

Dieses Bild aus den 1930er Jahren zeigt sehr gut das Areal, in dem der Bunker gebaut wurde.

1941 wurde hier zwischen Neckarböschung und Überkinger Straße mit dem Bau eines Tiefbunkers für 600 Personen begonnen. Das Bauwerk hat eine Grundfläche von 622 qm und ist damit zusammen mit dem Tiefbunker Leonhardsplatz in Bezug auf Fläche und Kapazität einer der kleinsten öffentlichen Luftschutzbunker Stuttgarts.

Die Ausstattung entsprach den damaligen Standards: Stadtwasseranschluss und Anschluss an die Kanalisation, elektrisches Licht, Filter- und Lüftungsanlage. Der Innenraum wurde durch standardisierte Zellen mit 2,9 x 2,04 m gegliedert, die durch einen umlaufenden Flur erreichbar waren. Dazu gab es einen Aufenthaltsraum. Ein Zugang wurde zur Überkinger Straße hin angelegt, ein zweiter zum Neckar hin. Dieser ist heute vermauert und nicht mehr erkennbar. Dem Zugang zur Überkinger Straße verdankt der Bunker seine offizielle Adresse Überkinger Str. 10.

Der Bunker ergänzte den Schutz der Zivilbevölkerung im Bereich der Altstadt und des Neckarufers. Nur wenige Meter entfernt entstand der Hochbunker Badstraße für 1.400 Personen.

Nach dem Krieg nutzte die Arbeiterwohlfahrt das Bauwerk zur Unterbringung lediger Männer. Bis in die 1950er Jahre wohnten hier ca. 30 Personen, bis sie eine anderweitige Unterkunft fanden. Zwar waren die Bedürfnisse dieser Klientel üblicherweise deutlich geringer als die von Familien, so dass die Betroffenen oft zunächst mit einer kleinen notdürftig möblierten Dachkammer zufrieden waren. Andererseits waren die Wiederaufbau- und Wohnungsbauprogramme nach dem Krieg in keinster Weise auf Single-Haushalte ausgelegt, sondern auf die möglichst schnelle Schaffung von Wohnraum für die zahlreichen notleidenden Familien. Alleinstehende Männer konnten auf dem rudimentären Wohnungsmarkt dieser Zeit nur auf eine Kammer oder ein Zimmer bei privaten Vermietern hoffen. Auch dies war ein Grund, warum diese Personengruppe mit am längsten in Notunterkünften in Bunkern lebte.

Der Bunker im Mühlgrün wurde, anders als der Hochbunker Badstraße, nicht für die Erfordernisse des Kalten Kriegs modernisiert. Er ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Der Zugang an der Überkinger Straße ist leicht zu übersehen, da der Gehweg auf der gegenüber liegenden Straßenseite liegt und ein Fuß- und Radweg am Neckarufer entlang führt. Dass sowohl der Fußweg, als auch der Zugang zum Neckarbiergarten auf dem Bunkerdach liegen, ist für die zahlreichen Passanten und Gäste des Biergartens nicht erkennbar.