Paul Bonatz 1877 -1956

Die Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt Stuttgart 21 haben den Blick auf einen Architekten gerichtet, der in Stuttgart schon immer ein hohes Ansehen genoss. Aber nur wenige wissen, wie allgegenwärtig seine Architektur in der Stadt ist.

Von Bonatz stammt nicht nur der Hauptbahnhof, sondern auch das Hotel Graf Zeppelin, das Inselbad, das Clubhaus des Tennisclub Weißenhof, die Villa für Ferry Porsche und für den Fabrikanten Hans Roser, sowie zahlreiche weitere Wohnhäuser überwiegend in den Höhenlagen, die Staustufe in Bad Cannstatt und diverse andere am Neckar ebenfalls, so z.B. bei Oberesslingen, Neckargemünd, Neckarsteinach, etc., die denkmalgeschützten Reste der ehemaligen Lederfabrik Roser in Feuerbach (Kantinen- und Bürogebäude und das Maschinenhaus), mehrere Schulen, die Stadthalle Feuerbach, und etliche andere Bauwerke.

Neben dem Wohnhausbau waren es zumeist technische Bauten für Infrastruktur und öffentliche Nutzung, die ihn interessierten, und wo er sich massiv engagierte.

Ab Mitte 1935 hatte Bonatz einen Beratungsauftrag für die Baumaßnahmen der Reichsautobahn unter Fritz Todt am Drackensteiner Hang angenommen. Die Urheberschaft der Drachenlochbrücke wird ihm zugeschrieben.

Es wundert somit nicht, dass Bürgermeister Dr. Strölin und die Beiräte für Luftschutzfragen des Gemeinderats der Stadt Stuttgart 1940 Professor Paul Bonatz konsultierten, und mit ihm die geplanten Standorte für Hochbunker in Stuttgart abfuhren.

Mit Bonatz wurden nicht nur die Standorte, sondern auch die Konzepte besprochen. Der Professor war von der neuen Herausforderung durchaus angetan und gab seine Ergänzungen und Anregungen an die Stadt. Bonatz lieferte darüber hinaus auch die Entwürfe zur Fassadengestaltung der Luftschutzbauten, die mit Naturstein verkleidet werden sollten, um so optisch in das Stadtbild eingegliedert werden zu können. Es ist dem Kriegsausbruch und den sich dadurch verschobenen Prioritäten geschuldet, dass dieses Vorhaben nur teilweise umgesetzt wurde. In der Wolfbuschsiedlung und am Raitelsberg wurden diese Arbeiten abgeschlossen und zeugen so von einer kaum bekannten und wenig dokumentierten Aktivität des Begründers der „Stuttgarter Schule“. In der im Dezember 2010 erschienen Monographie des Deutschen Architekturmuseums (Wolfgang Voigt,Roland May (Hrsg.): Paul Bonatz 1877-1965, Ernst Wasmuth Verlag Tübingen-Berlin, 2010) findet sich hierzu ein einziger Eintrag: „Gestaltung von Hochbunkern, Stuttgart, 1940, Gutachten“. Der Hinweis steht unter der Rubrik „Gutachten mit geringem oder keinem Entwurfsanteil“. Auch in anderen Publikationen über Paul Bonatz findet sich zu diesen Beiträgen zum „Führersofortprogramm“ in der Regel nichts.

Dabei ergeben die Protokolle des Gemeinderats, dass man mit Bonatz nicht nur jeden geplanten Standort in den Siedlungen vor Ort besuchte, sondern mit ihm auch die Konzeption der zu errichtenden Bunker besprach. Letztlich brauchte er diese Information auch für die Konzeption der Fassadengestaltung. Richtig ist allerdings auch, dass er an der Planung und Konzeption der eigentlichen Bunker in Stuttgart keinen Anteil hatte, mit einer Ausnahme: Der bekannteste und weithin sichtbarste Bunker der Stadt, der Hochbunker am Pragsattel, stammt ebenfalls von Paul Bonatz.

Für Bonatz war die Mitwirkung bei der Integration der Hochbunker in die bestehende Umgebung wohl nicht mehr als die Überlegung, wie eine Staustufe oder eine Autobahnbrücke ästhetisch in die Landschaft eingegliedert werden können. Das monumentale, repräsentative Element hat ihn stets interessiert. Er hat sich daher auch immer und unter jeder Regierung um öffentliche Aufträge bemüht. Bonatz starb am 20.Dezember 1956. Er liegt auf dem von ihm gestalteten Waldfriedhof in Stuttgart begraben.

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