König-Wilhelm-Viadukt

Am 30.September 1896 wurde die 11,495 km lange Bahnstrecke Stuttgart-Untertürkheim–Kornwestheim eröffnet, die alsbald auch als „Schusterbahn“ bekannt wurde. Die Strecke führt bei Stuttgart-Rot durch den 272,2 m langen Schnarrenbergtunnel, zeichnete sich aber vor allem durch zwei spektakuläre Viadukte aus, die im nördlichen Verlauf das Feuerbachtal und Zazenhausen und im südlichen Abschnitt das Neckartal mit Stuttgart-Münster überspannen. Die Viadukte waren als Eisenfachwerkkonstruktionen errichtet worden. Bei seiner Fertigstellung war der König-Wilhelm-Viadukt in Cannstatt mit 855 m die längste Eisenbahnbrücke Württembergs.

Der Name „Schusterbahn“ geht auf die auf dieser Strecke verkehrenden Personenzüge zurück, die in erheblichem Umfang von Beschäftigten der Salamander Schuhfabriken Kornwestheim genutzt wurden.

Hauptsächlich war die Strecke aber als Güterumgehungsbahn gebaut worden. Im Winter 1901/1902 standen den fünf Personenzügen, die hier täglich verkehrten ca. 50 Güterzüge gegenüber. Mit der neuen Strecke sollten die Güterzüge den Stuttgarter Hauptbahnhof umfahren können, wodurch insbesondere auch der aufwändige Richtungswechsel im Kopfbahnhof entfiel.

Zunächst war die Strecke nur eingleisig, die Ingenieursbauten (Tunnel und Viadukte) waren aber bereits für den zweigleisigen Betrieb errichtet worden, der am 23. September 1904 aufgenommen wurde. 1933 wurde die Strecke elektrifiziert und auch in den neu geschaffenen „Stuttgarter Vorortverkehr“ eingegliedert.

Die Rangier- und Güterbahnhöfe in Untertürkheim und Kornwestheim waren auch während des Zweiten Weltkriegs für Stuttgart von erheblicher Bedeutung. Über sie wurden große Teile des zivilen und gewerblichen Güterverkehrs abgewickelt, aber auch militärische Bewegungen, wie die Verschiebung motorisierter Einheiten und von Flak-Artillerie.

Die Bahnlinie verlief in einem von Schwerer Flak gut abgedeckten Bereich: Sie schlängelte sich praktisch zwischen den Batterien Kornwestheim, Stammheim, Burgholzhof und Schmidener Feld sowie auf Höhe des Bahnhofs Untertürkheim den Batterien im Neckartal hindurch.

Allerdings wurde der König-Wilhelm-Viadukt als durch Tiefflieger gefährdet eingestuft, die die Schwere Flak unterfliegen und den Viadukt hätten angreifen können. Er querte das Neckartal in bis zu 30 m Höhe. Aus diesem Grund wurden an den Köpfen des Viadukts drei 3,7 cm-Flak postiert, die solche Angriffe hätten abwehren sollen. Die Geschütze waren wahrscheinlich zunächst der Leichten ReserveFlakabteilung 941 zugeordnet, später der Leichten Flakabteilung 858 und schließlich der Heimatflakabteilung VII. Die Türme an den Brückenköpfen dienten als Gefechtsstand und ermöglichten eine gute Sicht über den gesamten Viadukt als auch das Neckartal an dieser Stelle. Es ist davon auszugehen, dass Beobachter in dem hölzernen Aufbau auf dem Daimlerturm für die Flak am König-Wilhelm-Viadukt eingerichtet worden war.

Trotz des eigens eingerichteten Flakschutzes wurde der Viadukt während des Zweiten Weltkriegs durch Luftangriffe teilweise zerstört. Bereits im Mai 1945 setzten Amerikanische Pioniere sie provisorisch wieder instand um die Bahnlinie für ihren Nachschub nutzen zu können. Die völlige Instandsetzung dauerte bis 1954.

Der „Stuttgarter Vorortverkehr“ wurde zwischen 1978 und 1985 durch die neue S-Bahn Stuttgart abgelöst. Für den Haltepunkt Zazenhausen (Himmelsleiter) bedeutete dies das Ende, da für den Personenverkehr an dieser Stelle kein Ersatz geschaffen wurde.

Der König-Wilhelm-Viadukt wurde nach Fertigstellung des 1985-1992 errichteten neuen Eisenbahnviadukts Stuttgart-Münster abgebrochen.