Bunkerhotels in Stuttgart

Eine bislang wenig erzählte Geschichte ist die der Stuttgarter Bunkerhotels. Sie tritt zurück hinter die sehr gut dokumentierte Geschichte des Hotels am Marktplatz, das nicht nur das bekannteste und größte der Stuttgarter Bunkerhotels war. Es war auch die längste Zeit in Betrieb. Erst 1985 schloss das weit über die Grenzen des Ländles hinaus bekannte Hotel. Doch es war nach dem Krieg nicht das einzige in Stuttgart. Die Geschichte der anderen ist weitgehend vergessen, nur fragmentarisch sind einzelne Informationen erhalten.

Dass man Bunker nach Kriegsende in den zerstörten deutschen Städten als Hotels und Herbergen nutze, war keine Seltenheit. Allein Berlin hatte mindestens 13 Bunkerhotels. Da die meisten Hotels, Gästehäuser und Pensionen genauso zerstört waren, wie die Wohngebäude, ergab sich alsbald ein Widerspruch der Notwendigkeit, Gästebetten und Notunterkünfte bereitzustellen zum Entfestigungsbeschluss der Alliierten. Danach war die ausnahmslose, schnellstmögliche Beseitigung aller Bunkeranlagen in Deutschland vorgesehen, auch die der Luftschutzbunker. Am Ende siegte der Pragmatismus. Der Mangel an Übernachtungsplätzen rettete etliche Bunker vor der Zerstörung.

Die Hotelsituation in Stuttgart nach dem Krieg

Von den 20 großen Hotels in Stuttgart hatten nur drei den Krieg überstanden. Das Hotel Ketterer in der Marienstraße 3, das Reichsbahnhotel im Nordflügel des Hauptbahnhofs und das Graf Zeppelin, das zwar 1944 schwer beschädigt, jedoch noch im Krieg notdürftig repariert worden war. Von ehemals 3.600 Fremdenbetten standen in Stuttgart nur noch 300 in den genannten Hotels zur Verfügung.

Der Baedeker Stuttgart und Umgebung von 1949 beschreibt die Situation so: „Die meisten der früheren Stuttgarter Hotels sind zerstört. Zimmernachweis gibt der Verkehrsverein […]. Die nachstehend angegebenen Bettenzahlen sind infolge des fortschreitenden Ausbaus der Hotels schwankend; die genannten Preise sind unverbindlich und beziehen sich auf eine Übernachtung ohne Frühstück, Bedienung und Heizungszuschlag.“

Im derselben Ausgabe des Baedeker sind folgende Bunker als Hotels genannt:

– Bunker unter dem Marktplatz
– Bunker am Wilhelmsplatz
– Hotel im Leonhardsbunker / Leonhardsplatz
– Untergrundhotel am Diakonissenplatz
– Turmhotel Conen im Hochbunker an der Rosensteinbrücke (Badstraße in Bad Cannstatt)
– Hospiz im Caritas-Bunker am Marienplatz

Ohne die 180 Betten im Hospiz am Marienplatz stellten diese Hotels 1949 251 Betten. Das Marktplatzhotel war noch 1953 zusammen mit dem Hotel Ketterer das drittgrößte Hotel nach Bettenzahl (beide 100).

Marktplatz

Das einzige Bunkerhotel in Stuttgart, dessen Geschichte gut dokumentiert ist, ist das Hotel unter dem Marktplatz. Im Juni 1941 für 1010 Personen fertiggestellt, bot der Bunker während der Bombenangriffe auf Stuttgart bis zu 3000 Menschen Zuflucht.

Bereits im Sommer 1945 pachtete die Hoteliersfamilie Zeller den Bunker, um ein Hotel darin zu betreiben. In den 96 Kabinen wurden 80 Einzel- und 10 Doppelzimmer eingerichtet. Es entstand eines der zu diesem Zeitpunkt größten Hotels in Stuttgart. Der Zuschnitt des Bunkers mit seinen großen Eingangsbereichen und Gemeinschaftsräumen erlaubte auch den Betrieb eines Restaurants.

Die Übernachtung im Hotel am Rathaus kostete 1949 5,75 Mark gegenüber 4,40 Reichsmark 1946.

1950 wurde das Hotel in Hotel am Marktplatz umbenannt. 1953 nahmen Hans und Else Zeller für das Einzelzimmer 5,- / 6,- Mark, für das Doppelzimmer 10,- bzw. 12,- Mark. Das Frühstück kostete zwei Mark. Es gab fließendes Wasser, Zentralheizung und Parkmöglichkeiten direkt auf dem Markplatz. Als Sitzplatzkapazitäten im Saal bzw. Konferenzraum wurden 120/60 Sitze angegeben. 1955 waren die Preise noch weitgehend identisch. Der Tarif für das Doppelzimmer wurde auf 9,50 / 12,- Mark geändert, das Frühstück auf 1,10 Mark ermäßigt.

Da das Hotel auch immer wieder von namhaften Künstler und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für Übernachtungen in Stuttgart gebucht wurde, erlangte es auch bald über die Grenzen der Stadt hinaus ein respektables Ansehen. Die Neue Zeitung nannte es in ihrer Ausgabe vom 1.3.1946 das „führende Bunkerhotel Deutschlands“. Die Stuttgarter Rundschau beschrieb die Lokalität als „ein gepflegtes unterirdisches Hotel“. Um dies zu veranschaulichen wurde der Fotograf Hannes Kilian mit einer Bildreportage beauftragt. Der eben erst anlaufende Hotelbetrieb bot freilich noch nicht alle gewünschten Motive, so dass Kilian einige Statisten für seine Aufnahmen engagierte, die die Hotelgäste spielten.

Das Hotel blieb 40 Jahre lang in Betrieb, stets im Besitz der Familie Zeller und stets rentabel. Die zahllosen namhaften Gäste, die Bilder Kilians, die lange Betriebszeit, eine auch stets professionelle Führung und andere Aspekte machten das Bunkerhotel zum Mythos.

Erst als die Auflagen des Baurechtsamts Kosten von ca. 2 Millionen DM für die Renovierung erforderten, entschloss sich die Betreiberin Hannelore Zeller, das Hotel zum 31. Oktober 1985 zu schließen. Auch nach der aufwändigen Renovierung hätte das Bunkerhotel die gestiegenen Ansprüche der Kundschaft nicht mehr in voller Höhe erfüllen können. Mit der Schließung kam die Pächterin so dem Niedergang einer Legende zuvor.

Wilhelmsplatz

Der Bunker unter dem Wilhelmsplatz in der Stuttgarter Altstadt war eines der im Oktober 1940 als vordringlich eingestuften Luftschutzbauwerke.

Der Wilhelmsplatz war lange Zeit die Richtstatt der Stadt Stuttgart gewesen. Bis 1811 fanden dort Hinrichtungen statt. 1941 wurde der Bunker unter dem Wilhelmsplatz fertiggestellt. Die Außenwände sind 1,80 Meter dick, die Decke besteht aus 1,40 Meter Eisenbeton.

In den 4200 cbm umbauten Raumes sollten laut Planung 450 Personen Schutz vor Luftangriffen finden. Im Baedeker von 1949 ist das U-Hotel am Wilhelmsplatz als Hotel garni mit 40 Betten gelistet. Die Übernachtung kostete 5,75 Mark. Bis 1953 wurde sowohl die Bettenzahl als auch der Übernachtungspreis reduziert.

Das Unterkunftsverzeichnis von 1953 gibt 31 Betten an und Übernachtungspreise von 4,50 / 5,- Mark für ein Einzelzimmer, 9 Mark für das Doppelzimmer. Das Frühstück war mit 75 Pfennig im Vergleich zu anderen Hotels in Stuttgart ausgesprochen günstig. Die Reduktion der Bettenzahl und Preise dürfte am Standard des Hotels gelegen haben. Zwar gab es Garagen, Parkplätze und eine Zentralheizung, jedoch nur teilweise fließendes Wasser. Die Betreiberfamilie Bleyler schien aber bis 1955 in das Hotel investiert zu haben. Mit noch 30 Betten konnte dann ein Saal/Konferenzraum mit 40 Sitzplätzen vorgewiesen werden, sowie fließendes Wasser ohne einschränkende Bemerkung. Die Garage war allerdings entfallen. Das Frühstück war mit 80 Pfennig immer noch sehr günstig.

Wie lange das Bunkerhotel betrieben wurde konnte nicht ermittelt werden. Dem Hotelbetrieb folgte eine Nutzung zur Betreuung von Wohnsitz- und Obdachlosen durch die Caritas bis 1967.

Leonhardsplatz

Der Leonhardsplatz wurde im Zuge einer Stadterweiterung Mitte des 15. Jahrhunderts angelegt. Er war zunächst der Kirchhof (Friedhof) der Leonhardskirche, die 1463 bis 1466 aus der Erweiterung einer Feldkapelle hervorging. Zwischen der Kirche und dem Gustav-Siegle-Haus wurde 1941 auf 600 qm Grundfläche ein Tiefbunker für 600 Personen errichtet. Es waren hauptsächlich Familien mit Kindern, die den Bunker nutzten. So war er zumindest zeitweise in Zellen unterteilt, die den Familien zugewiesen waren und abgeschlossen werden konnten. Über den Bunker und seine Geschichte ist relativ wenig bekannt, obwohl ihn die Stadt noch heute als Proberaum an Bands vermietet.

1949 befand sich in den Räumlichkeiten ein Hotel mit 30 Betten. Die Übernachtung kostete 5,75 Mark. Das Hotel scheint schon sehr früh eine Entwicklung genommen zu haben, die von der der anderen Bunkerhotels abweicht. In den Unterkunftsverzeichnissen der 50er Jahre taucht es nicht auf, obwohl man noch in den 60er Jahren in den Räumen des Bunkers barbusige Damen antreffen konnte.

Vermutlich war das Bunkerhotel schnell ein Teil des im Leonhardsviertel und im Bereich des heutigen Schwabenzentrums sich etablierenden Rotlichtviertels geworden, so dass kaum klare Informationen zu Betreibern und Nutzung verfügbar sind. Anfang der 60er Jahre beschwerte sich der Pfarrer der Leonhardskirche bei der Stadtverwaltung über das Treiben im Untergrund vor seiner Kirche und verlangte dessen Schließung.

Heute deuten nur noch die beiden Treppenzugänge zwischen Kirche und Gustav-Siegle-Haus auf den Bunker hin. Mit einer teilweisen Begrünung wurde versucht, sie in den Platz besser zu integrieren. Die Ästhetik einer Müllcontainerreihe wurde den Treppenabgängen dadurch freilich nicht genommen. Der Bunker wurde nicht modernisiert. Lediglich die Versorgungsleitungen wurden instand gesetzt.

Untergrundhotel am Diakonissenplatz

Der Bunker unter dem Diakonissenplatz war nicht nur ein reines Zivilschutzbauwerk. Die von der Firma Gottlob Müller Hoch- und Tiefbau, Stuttgart realisierte Anlage mit einer Grundfläche von 3.158 qm ist U-förmig angelegt und in drei Trakte gegliedert. Im längs der Rosenbergstraße liegenden Trakt war von Anfang an eine Luftschutz-Rettungsstelle eingebaut worden.

Der entlang der Forststraße liegende Flügel war als ziviler Schutzraum geplant. Hier zog später allerdings das Lagezentrum des Sicherheits- und Hilfsdienstes ein, der für die Koordinierung von Hilfsmaßnahmen nach Bombenangriffen zuständig war. Der größte der drei Teile, der Verbindungstrakt entlang der Silberburgstraße, wurde seiner ursprünglichen Planung gemäß als Schutzraum für die umliegende Bevölkerung genutzt.

Da in der zerstörten Stadt nach dem Krieg akuter Mangel an Fremdenzimmern herrschte, wurde die Anlage in den ersten Jahren als Bunkerhotel genutzt. Zwar lag der Diakonissenplatz nicht so zentral wie die drei anderen Bunkerhotels der Innenstadt, aber vom Hauptbahnhof ist es ungefähr genauso weit entfernt wie der Wilhelmsplatz. Der Pachtvertrag wurde im Juni 1947 geschlossen. Das Hotel sollte 25 Beten anbieten. Da in Stuttgart aber offenbar kaum Mobiliar zu bekommen waren, musste es der Pächter erst auswärts anfertigen lassen und konnte so erst im März 1948 mit 10 Betten eröffnen. 1949 kostete eine Übernachtung in einem der dann 40 Betten 5,75 Mark. Das Hotel nutzte den Verbindungstrakt als Gästebereich, der mit seinen normierten Bunkerzellen einfach umzugestalten war.

Das Hotel blieb bis Anfang 1952 bestehen. Dann wurden die Räume zunächst vom Sozial- und Flüchtlingsamt für die Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Durchgangslager Stammheim genutzt. Ab 1953 betrieb die Heilsarmee ein Männerwohnheim in den Räumlichkeiten. Im Unterkunftsverzeichnis der Stadt Stuttgart von 1953 taucht das Untergrundhotel am Diakonissenplatz folgerichtig auch nicht mehr auf.

Turmhotel, Badstraße Bad Cannstatt

Das Turmhotel Conen stellte in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit unter den Bunkerhotels in Stuttgart dar. Es war das einzige außerhalb der Stuttgarter Innenstadt und es lag als einziges nicht unter der Erde. In den fensterlosen Geschossen des Hochbunkers kamen die Gäste dennoch nicht in den Genuss von Tageslicht. Ein recht günstige Lage in der Nähe zum Bahnhof Bad Cannstatt, der den gesamten Krieg über in Betrieb war, und direkt an der am 9. Mai 1945 durch Pioniere der US-Army fertiggestellten Rosenstein-Behelfsbrücke verliehen dem Turmhotel eine gewisse Attraktivität.

Von 1946 – 1948 diente der Hochbunker als Wohnheim der Arbeiterwohlfahrt. Anschließend eröffnete darin der Hotelbetrieb. 1949 gab der Baedeker die Bettenzahl mit 41 an. Im Unterkunftsverzeichnis von 1953 ist das Hotel mit 45 Betten gelistet. Der Übernachtungspreis war in den vier Jahren konstant bei 4,50 DM geblieben. Das Doppelzimmer kostete 1953 acht Mark. Das Frühstück war für 2 Mark zu haben. Das Hotel wies eine Zentralheizung, einen Aufzug, fließendes Wasser und Parkmöglichkeiten aus. Laut Baedeker gab es auch ein Café-Restaurant.

Die Betreiber waren Edmund Conen (bis 1952), ehemaliger Fußballspieler der Stuttgarter Kickers und der Fußballnationalmannschaft, später Ernst Fischer (bis 1954). Im Unterkunftsverzeichnis von 1955 ist es nicht mehr aufgeführt. Nach der Einstellung des Hotelbetriebs existierte noch kurze Zeit ein Café im oberen Erdgeschoss, bis die Gastronomie im Bunker ganz eingestellt wurde. Als der Bunker in den 70er Jahren an die Rockband Spratzel Strull als Proberaum vermietet wurde, waren die hölzernen Einbauten für die Rezeption im Eingangsbereich noch erhalten.

Edmund Conen blieb der Hotellerie nicht treu, sondern schlug eine Trainerlaufbahn ein. Er betreute unter anderem Eintracht Braunschweig und den Wuppertaler SV. Er starb am 5. März 1990 im Alter von 75 Jahren.

Hospiz der Caritas unter dem Marienplatz

Von den Nationalsozialisten wurde der Marienplatz in „Platz der SA“ umbenannt. 1936 wurde die Endstation der Zahnradbahn von der Filderstraße auf den Marienplatz verlegt und Paul Bonatz mit dem Bau eines Bahnhofbauwerks beauftragt. Daneben erstreckte sich eine rechteckige Wiese, an deren Ecken Bäume standen. Über den Bunker, der unter diesem Platz errichtet wurde, gibt es nur relativ wenige Informationen. Er hat eine Grundfläche von 1.491 qm und sollte 1.700 Schutzplätze bieten.

Der Standard war freilich ausgesprochen niedrig. Außer Stadtwasseranschluß, Toiletten,  Strom, Filter und Lüftung gab es unter dem Marienplatz nichts, was das Leben im Bunker erträglicher machen könnte.

Im Juli 1944 erhielt der Bunker einen Volltreffer von einer schweren Sprengbombe, die in der Decke über der Trennmauer zweier Zellen explodierte. Dabei kamen 15 Menschen ums Leben, 23 wurden verletzt. Der Bunker wurde umgehend wieder instand gesetzt und weiter genutzt. Nach dem Krieg betrieb die Caritas ein Hospiz darin mit 180 Betten und Lagern. 1949 war eine Übernachtung ab 50 Pfennig zu haben. Auch eine Verpflegung war möglich. Allerdings deckte die Einrichtung wohl kaum mehr als diese elementaren Bedürfnisse ab.

Wie lange diese Nutzung dauerte, ist nicht genau bekannt, sie scheint nur bis etwa Anfang der 1950er Jahre angehalten zu haben. Heute ist die Anlage als Proberaum an Musiker vermietet.

Seit der Neugestaltung des Marienplatzes 2004 ist der Eingang zum Bunker am westlichen Rand als markante Metallgitter-Konstruktion gut sichtbar und trägt zum Erscheinungsbild des Platzes bei.